Tagesmütter im Landkreis: "Dieser Druck ist ungesund"

2.8.2019, 15:59 Uhr
Tagesmütter im Landkreis:

© Jan-Philipp Strobel/dpa

Krank sein? "Das ist ein No-Go für mich", sagt Jana Wiedner. Sie ist Tagesmutter und betreut wochentags bis zu fünf Kinder gleichzeitig von morgens bis nachmittags. Die alleinerziehende Mutter ist eine von 43 Tagesmüttern im Landkreis. Unter ihnen "brodelt es unterschwellig", sagt Wiedner. Es soll Tagesmütter geben, die sich einen anderen Job suchen, weil sie den Druck nicht mehr aushalten.

Druck macht die 20-Tage-Regelung. Für diese Zeit erhalten Tagesmütter für Urlaub oder Krankheit das Pflegegeld für die Betreuung der Kinder, ausbezahlt vom Jugendamt. Sind Tagesmütter länger als 20 Tage im Jahr im Urlaub oder krank, erhalten sie kein Geld. Deshalb gebe es immer wieder Tagesmütter, die sich eine neue Arbeit suchten, bei der Kranksein nicht zur Existenzfrage wird, so Wiedner. "Ich kann es mir nicht leisten, über die 20 Tage hinaus frei zu haben oder krank zu sein." Denn passiert das, muss Wiedner, wie jede andere Tagesmutter auch, Tag genau das Geld, das sie für die Betreuung der Kinder erhält, an das Amt zurückzahlen. "Ich muss mich dann so organisieren, dass ich nichts zurückzahlen muss, schließlich muss auch ich meine Rechnungen bezahlen." Im Zweifel knapst Wiedner Tage vom Urlaub mit ihrer Tochter ab.

650 Euro pro Kind im Monat

Für Kinder unter drei Jahren erhalten Tagesmütter 647,50 Euro, für Kinder ab drei Jahren 544,25 Euro im Monat - bei einer Buchung von 40 Stunden in der Woche. Dies käme aber nicht häufig vor, so Wiedner. Hinzu kommen Pauschalen für Sachkosten von rund 300 Euro bei einer 40-Stunden-Betreuung, inkludiert in der Monatspauschale. Dass der Landkreis überhaupt die Bezahlung von Tagesmüttern übernimmt, liegt in der gesetzlichen Struktur der Kinderbetreuung. Die Kosten teilen sich Kommunen mit den Eltern auf, die die Arbeit über ihre Beiträge mitfinanzieren.

"Erkältungen können Tagesmütter nicht auskurieren. Das macht Druck und ist auf Dauer ungesund", sagt Jana Wiedner. Eine Kur oder längere Erholung sei gar nicht möglich. Eine Kollegin habe mehrere Operationen und musste die geleisteten Zahlungen zurückerstatten. Jetzt wechsele sie den Job. Wiedner sieht den Berufsstand in Gefahr. Einen, der dringend gebraucht wird, denn in gut der Hälfte der Landkreisgemeinden reicht der Platz in Kita und Krippen bei weitem nicht aus. Nicht nur bieten Tagesmütter ein pädagogisch alternatives Konzept mit einer Gruppengröße von maximal fünf Kindern an, sondern sind oftmals auch ein Rettungsanker für verzweifelte Eltern auf der Suche nach einem Betreuungsplatz für ihr Kind.

"Viele sagen nicht die Wahrheit"

"In Forchheim ist immer hoher Bedarf" an Tagesmüttern, sagt auch das Landratsamt. Derzeit seien alle Plätze in Forchheim belegt, "hier könnten wir noch welche brauchen". Auch in Neunkirchen, Igensdorf, Ebermannstadt, Gräfenberg sowie in Heroldsbach wie Hausen sind alle Tagesmütter ausgebucht. Freie Plätze gibt es nur noch in Egloffstein und Gößweinstein. Derzeit betreuen 43 Tagespflegepersonen 166 Kinder in Stadt und Landkreis. "Im Oberfrankenvergleich steht Forchheim damit an der Spitze", so das Landratsamt.

Jana Wiedner, Betreuerin seit 13 Jahren, meint, dass sich diese Situation wegen der 20-Tage-Regelung verschärfen wird. Sie fordert daher 30 Tage Puffer jährlich. "Das wäre eine Wertschätzung für unsere Arbeit." Jene 30 Tage gab es vor wenigen Jahren noch im Landkreis. Seit September 2015 gelten 20 Tage, das Jugendamt hat sich dabei an einer Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände orientiert. Das Ergebnis seitdem: Tagesmütter sind in der Regel nicht mehr länger als 20 Tage wegen Krankheit und Urlaub zusammengerechnet pro Jahr zu Hause. Dass sich aus diesem Grund eine Tagespflegeperson vom Dienst verabschiedet hat, verneint das Landratsamt auf NN-Nachfrage. "Einige sind in ihren erlernten Beruf zurückgekehrt."

Sind Tagesmütter selbstständig oder nicht?

"Viele trauen sich nicht zu sagen, woran es liegt, warum sie sich einen neuen Job gesucht haben", sagt Wiedner über ihre Berufskollegen. In Kitas oder andere sozialen Einrichtungen locken oftmals bessere Arbeitsbedingungen, vor allem sind die Erzieherinnen dort angestellt und nicht selbstständig tätig. Der Status der Selbstständigkeit ist Knackpunkt bei der 20-Tage-Regelung. Weil die Rechtsprechung die Tagesmütter als Selbstständige betrachte, "können wir in Krankheitsfällen auch keine Lohnfortzahlung wie bei einem Angestellten ermöglichen", sagt Jugendamtsleiterin Dagmar May. Schließlich könnten Tagesmütter selbstständig über die Kinderbetreuung entscheiden. Kranken- oder Urlaubstage über die 20-Tage-Regelung, müssten sie finanziell selbst stemmen, wie andere Selbstständige auch, so das Argument des Amtes.

Zwar entscheiden Tagesmütter tatsächlich alleine, wie viele Kinder (Maximum fünf) sie betreuen wollen, doch ausschließlich selbstständig sieht sich Tagesmutter Wiedner nicht. "Das Jugendamt zahlt uns aus und die Vergütung richtet sich nach der Anzahl der Qualifizierungsmaßnahmen, die wir auch außerhalb unserer Arbeitszeit machen." Neben Tagesmüttern könne auch das Amt Kinder vermitteln. Auch mit spontanen Absagen von Eltern, die plötzlich einen Krippenplatz finden, muss sie zurechtkommen. Ab September hat sie deshalb noch einen Platz frei.

Wer Tagesmutter werden will, muss erfolgreich an einem Qualifizierungskurs teilnehmen. Jüngst haben zehn Teilnehmer diesen nach fünf Monaten erfolgreich abgeschlossen. Mit einem Aufbaukurs geht es im September weiter. Insgesamt 100 Stunden sind für beide Einheiten angesetzt. Die persönliche und fachliche Eignung wird vom Jugendamt überprüft. Vor allem bei den Grünen im Landkreis sorgt das für Kopfschütteln. Vor einem Jahr haben sie im Jugendhilfeausschuss des Kreistags dafür plädiert, zur 30-Tage-Regelung zurückzukehren. Ohne Erfolg.

Betreuungsplätze sind Mangelware

Jüngst passten die Kreisräte im Jugendhilfeausschuss die Vergütung für Tagesmütter an. SPD-Vertreterin Lisa Hofmann nahm das zum Anlass, "eine Lanze für die Tagesmütter zu brechen" und hervorzuheben, wie wichtig sie für die Kinderbetreuung im Landkreis seien, weil Kita- und Krippenplätze vielerorts Mangelware sind. Kreisrat Matthias Striebich (Grüne) wiederholte die Forderung seiner Partei, zu den 30 Tagen zurückzukehren. Und er zweifelt an der Auffassung, dass Tagesmütter selbstständig tätig sind. "Ich kann Ihr Anliegen unter sozialen Aspekten verstehen, aber ich sehe die dringende Gefahr der Scheinselbstständigkeit", so Frithjof Dier, Geschäftsbereichsleiter am Landratsamt. Bei einer kurzen Diskussion blieb es im Ausschuss auch.

Jana Wiedner will allen Umständen zum Trotz ihrem Beruf treu bleiben. "Ich kann mir nicht vorstellen, in einer Kita zu arbeiten. Das selbstständige Arbeiten, von zu Hause aus, ist mir wertvoller." So einfach könne sie ohnehin nicht wechseln. "Ich würde nicht als Erzieherin in einer Kita anerkannt werden, weil ich das nicht gelernt habe. Dazu bräuchte man eine staatlich anerkannte Ausbildung als Erzieherin oder Kinderpflegerin." 13 Jahre Erfahrung als Tagesmutter hin oder her.

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