Spannend und relevant

Tod im Kellerwald: StaTTTheater setzt wahre Geschichte in Szene

8.2.2021, 12:00 Uhr
Ein tragischer Vorfall mit tragischen Folgen: Das StaTTTheater Forchheim setzt eine wahre Geschichte in Szene. 

© Colourbox Ein tragischer Vorfall mit tragischen Folgen: Das StaTTTheater Forchheim setzt eine wahre Geschichte in Szene. 

Der Ideengeber: Dieter George

Der frühere Kulturbeauftragte und jetzige Heimatpfleger der Stadt hatte immer schon ein Auge auf die historische Seite des Annafestes geworfen. Das entstand nach offizieller Zählung 1840, als die Schützen vom Schießanger an der Regnitz in den Kellerwald umzogen. Die Tragödie vom 21. Juli 1844 am Schützenhaus war George geläufig.

Da 2021 das große Jubiläum "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" anstand, fand er es eine gute Gelegenheit, beides miteinander zu verknüpfen. Weil George zudem Vorsitzender des Heimatvereins ist, zeichnete sich eine gewisse finanzielle Unterstützung für die Umsetzung des Stoffes ab. Apropos Stoff: Auch die Kostümsammlung des Heimatvereins wird bei der Inszenierung eine Rolle spielen.

Der Berater: Rolf Kießling

Dass wir heute so viel über das Leben Zeillers wissen, verdanken wir den jahrelangen Forschungen Rolf Kießlings. Für sein Buch "Juden in Forchheim" hat der ehemalige Gymnasiallehrer in Archiven gesucht, mit Zeitzeugen und Angehörigen gesprochen. Er wertete in der Folge auch die handschriftlichen Erinnerungen der Zeiller-Tochter Kathi Traub aus. Darin schildert sie die dramatischen Geschehnisse. In der Folge schrieb Kießling einen umfangreichen NN-Artikel, der Ludwig und Jutta Dafner vom StaTTTheater inspirierte. Seither steht er dem StaTTTheater als Berater zur Seite.

Moritz Moses Zeiller (1802-1872)

Diese alte Ansichtskarte zeigt die damalige Alleestraße, heute Hornschuchallee, in Forchheim. Im Haus Nummer 11 war das Schnittwaren-Geschäft von Moritz Moses Zeiller untergebracht.

Diese alte Ansichtskarte zeigt die damalige Alleestraße, heute Hornschuchallee, in Forchheim. Im Haus Nummer 11 war das Schnittwaren-Geschäft von Moritz Moses Zeiller untergebracht.

In seiner Person spiegeln sich die zunehmende Gleichberechtigung der Juden und der immer wieder aufflackernde Antisemitismus. Zielstrebig hatte er sich mit seinem Schnittwaren-Geschäft in der heutigen Hornschuchallee 11 Erfolg und Ansehen erarbeitet. Das ging soweit, dass man ihn und seine beiden Glaubensbrüder Isidor Lederer (1810-1876) und Jondorf Lederer (1812-1875) in die Königlich Privilegierte Hauptschützengesellschaft aufnahm. "Das war der Ritterschlag", so Kießling.

"Immerhin waren dort alle Honoratioren der Kleinstadt versammelt". Andererseits kam es in der Nacht nach dem Todesfall zu einem Pogrom. Das konnte man drei Tage später in der "Erlanger Zeitung" erfahren. Dabei zerstörte ein wütender Mob "vielen Juden die Fenster". Rädelsführer der antisemitischen Aktion war der Schuhmachermeister Christoph Müller, der seine Werkstatt in der Badstraße 3 hatte. Der Pöbel hatte sogar den Leichnam Stockers dabei und versuchte, ins Innere des Zeillerschen Hauses einzudringen. Polizei und Landwehrpatrouillen mussten Schlimmeres verhindern.

Die Handlung: Tod im Kellerwald

Ein Gruß vom oberfränkischen Bundesschießen, das 1898 in Forchheim stattfand, wie diese alte Ansichtskarte dokumentiert.

Ein Gruß vom oberfränkischen Bundesschießen, das 1898 in Forchheim stattfand, wie diese alte Ansichtskarte dokumentiert. © Archivfoto: Helmut Schuerr

Bei einem Preisschießen der Hauptschützen am Sonntagnachmittag wird deren "Zieler" Georg Stocker (1816-1844) von einer Kugel tödlich getroffen. Der Büchsenmacher hatte sich zu früh aus der Deckung gewagt, um die Treffer auf der Scheibe zu überprüfen, und starb auf Grund eines Kopfschusses noch an Ort und Stelle. Der Unglücksschütze war zufälligerweise Zeiller, der nach dem Vorfall den eigenen Freitod ins Auge fasste. Er ahnte wohl schon, welche Reaktionen neidischer Kleinbürger drohten. Nur die Sorge um seine Familie hielt ihn davon ab. Er kam für kurze Zeit zum eigenen Schutz in die Fronveste. "Als die Lage sich beruhigt hatte, konnte Zeiller zu seiner Familie zurückkehren", so Kießling.

Die Macher: Ein StaTTTheater-Team

Derzeit sitzen Ludwig und Jutta Dafner nicht hinter einer Bühne, sondern vor einem Bildschirm. Darauf sind Phil Groß, das Ehepaar Dafner, Jasmin Scholz, Wolfgang Rösch, Mariano Bogensberger, Tamara Buchfelder und Anja Glaser zu sehen. Sie sind das Produktionsteam.

"Wir treffen uns nach leider nur drei realen stattgefunden Treffen nun regelmäßig in Videokonferenzen, um an den Rollen und der Theatergeschichte zu arbeiten." Dialoge werden zur Zeit in Planspielen über E-Mails entwickelt; Rollenvorstellungen werden im heimatlichen Wohnzimmer mit dem Handy gefilmt; Texte werden zusammen auf Cloud-Speichern erarbeitet.

Schwierig sei natürlich der fehlende direkte, persönliche Kontakt, die aktive Diskussion und die sofortige Umsetzung ins Theaterspiel. "Der Reiz liegt auch darin, dass es um einen echten Menschen geht, bei dem wir wissen, wo er gewohnt hat", so Ludwig Dafner. Das größte Problem sei freilich die Motivation seiner selbst und der Mitstreiter. "Das Sofa ist eben doch verlockend."

Das Vorhaben: Ein Stück

Es wird keine szenische Führung werden, wie man sie vom StaTTTheater gewohnt ist. Vielmehr ist ein abendfüllendes Stück mit einem halben Dutzend Aufführungen geplant. "Am liebsten würden wir am Tatort spielen", so Ludwig Dafner. Auch wenn das auf den Kellern mit großem Aufwand verbunden sei. "Die anderen Schauplätze könnten das Zeiller-Haus und der Ludwig-Donau-Main-Kanal sein, in den Zeiller springen wollte", so Jutta Dafner.

Auch wenn die wahre Geschichte schon genügend Bühnenstoff bietet, fehlte den Theaterleuten bislang eine Liebesgeschichte. "Für die Dynamik der Handlung brauchen wir weitere Rollen, die es im wahren Leben nicht gegeben hat", verdeutlicht Ludwig Dafner. Bis die Zuschauer die spannende Geschichte sehen können, wird es aber noch etwas dauern. So bleibt genügend Zeit, um an den Details zu feilen.

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