Urteil gefilmt: Ungewöhliche Verhandlung am Amtsgericht Forchheim

23.10.2020, 10:00 Uhr

Die Staatsanwaltschaft hatte K. vorgeworfen, unter Cannabiseinfluss auf der A73 zum Mittagessen bei seinen Eltern im Landkreis Forchheim unterwegs gewesen zu sein. Dabei soll er mehrere Fahrzeuge rechts überholt haben und anschließend mit einem kaputten Reifen gefahren sein. Die Anklage: Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr.

Mittelfinger gezeigt

Christian K. geriet in der Baustelle am Kreuz Fürth/Erlangen ins Visier von Thomas L. Dieser sah vor sich K., der nach seiner Aussage sehr auffällig fuhr, oft stark zu anderen aufschloss. Später zeigte K. Thomas L. für zehn Sekunden den Mittelfinger aus dem geöffneten Fenster. Bis zur Ausfahrt Forchheim-Süd ging das weiter. 

L. beschloss, K. hinterherzufahren. In der Zwischenzeit hatte er die Polizei gerufen, die K. etwas später auf dem Parkplatz einer Bäckerei antraf. Dort hatte K. gehalten, weil er den kaputten Reifen bemerkt hatte. „Ich habe zu ihm gesagt: Jetzt hast du dich mit dem Falschen angelegt“, sagte Thomas L. in seiner Zeugenaussage. Die Beamten führten einen Drogentest durch und stellten eine hohe Konzentration des Cannabis-Wirkstoffs THC in K.s Blut fest.

Für K. war das logisch, er ist aufgrund einer körperlichen Einschränkung Cannabis-Patient und nimmt täglich medizinisches Cannabis zu sich. In dessen Rahmen darf er auch ein Fahrzeug führen. Vorausgesetzt wird eine kritische Selbstreflexion vor Fahrtantritt.

Christian K. habe an dem Tag keine Einschränkungen gesehen, wie er selbst aussagte. Stattdessen habe Thomas L. mit dem Drängeln angefangen und ihn verfolgt. K. hatte mehrfach Probleme, sich bei den Zeugenaussagen zurückzuhalten. „Sparen Sie sich die Kommentare“, meinte Richterin Schneider. 

K. wollte zusammen mit seinem Anwalt beweisen, dass sein Fahrverhalten nicht auffällig war. Typische Symptome eines Cannabiskonsums, wie Hektik oder Probleme zu stehen, kämen von K.s Einschränkungen. Diese Auffälligkeiten seien mit K.s Charakter verbunden. „Sie sehen ja, er kann einfach sein Maul nicht halten“, erklärte K.s Anwalt.

Kein einfacher Mandant

Für die Staatsanwältin war der Straftatbestand der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr jedoch nach der Verhandlung bestätigt. Thomas L. hätte kein Motiv gehabt, zu lügen. Sie sehe eine relative Fahruntüchtigkeit. Sie forderte eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 Euro. 

K. wurde bereits am Tag des Vorfalls vor zehn Monaten der Führerschein entzogen, eigentlich wäre die Sperrfrist Anfang November ausgelaufen. Bei einer Verurteilung müsse jedoch eine neue Sperrfrist von drei Monaten verhängt werden, wie die Staatsanwältin erklärte. K.s Anwalt plädierte auf Freispruch: „Es ist eine schwierige Frage, ob Herr K. fahruntüchtig war“, meinte er und bezog sich erneut auf die Charaktereigenschaften seines Mandanten. 

Richterin wird laut

Richterin Schneider folgte der Forderung der Staatsanwaltschaft: Sie verurteilte K. zu einer Geldstrafe von 3000 Euro, ausgesetzt zu 50 Tagessätzen zu je 60 Euro. Er erhält eine weitere Sperrfrist von drei Monaten und muss die Kosten des Verfahrens übernehmen. „Ich bin überzeugt, dass sie an diesem Tag fahruntüchtig waren“, erklärte sie. Auch bei Cannabis-Dauerpatienten könnten starke Wirkungen auftreten.

Christian K. quittierte die Entscheidung mit Kopfschütteln. Als K. anfing, die Urteilsbegründung mit dem Smartphone aufzunehmen, wurde Schneider laut. „Sie nehmen das nicht auf“, sagte sie energisch und wies darauf hin, dass Ton- und Bildaufnahmen vor Gericht verboten sind. K. sah das nicht ein, meinte, dass Gerichtsverhandlungen öffentlich seien. 
„Es ist noch nie jemand auf die Idee gekommen, den Urteilsspruch aufzunehmen“, meinte Schneider. „Glauben Sie mir, Frau Schneider, das haben schon viele gemacht“, gab der Verurteilte zurück.

Julian Hörndlein