Verhandlung am Amtsgericht Forchheim: Junger Mann entgeht Gefängnisstrafe nur knapp

29.3.2021, 07:00 Uhr
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© Foto: David-Wolfgang Ebener Symbolbild

Einen warmen Juliabend lang sitzen die Kolleginnen und Kollegen auf dem Gelände der Firma zusammen. Das liegt irgendwo im Landkreis Forchheim. Genauer können wir nicht werden, um die Persönlichkeitsrechte der beteiligten Personen nicht anzutasten. Es gibt ein Buffet und reichlich Alkohol. Um Mitternacht eskaliert die Lage in der Nähe der Damen-Toiletten.

Was geschah auf dem WC?

Erst wird es laut, dann wird es hässlich. Ausgerechnet Okans Schwiegervater, der deutsche Chef des Familienbetriebes, gerät mit dem ungeliebten Ehemann seiner Tochter aneinander. "Es gab den Vorwurf, ich wäre auf dem WC mit einer Dame zugange gewesen." Was natürlich nicht stimme, so Okan. Denn erstens habe die junge Frau ihn die ganze Zeit über bedrängt, er habe von ihr sexuell aber nichts wissen wollen. Und zweitens sei er nur ins Damen-WC gegangen, weil bei den Herren kein Platz mehr gewesen sei.

Daraufhin kommt es zu Geschreie und Gezerre, Beschimpfungen wie "Hurensohn" und "Drecksau" hallen durch die Nacht. Dann fällt der Satz, der Okan endgültig aus der Fassung bringt. Sein Schwiegervater und Arbeitgeber schreit "Du kannst Deine Sachen packen. Ich will Dich hier nie wieder sehen." Okan wirft Teile der DJ-Anlage um.

Als man ihn zu Boden bringt, um weitere Sachbeschädigungen zu vermeiden, teilt er im Gerangel mit den Fäusten aus. Mehrere Schläge treffen seinen Schwiegervater im Gesicht. Dann verlagert sich die Auseinandersetzung einige Meter weiter.

Am Ausgang des Firmengeländes wartet die Ehefrau eines Kollegen. Als von diesem erneut ausländerfeindliche Worte wie "Scheiß-Kanacke" und "Drecks-Ausländer" fallen, und man ihm zuruft, er solle doch wieder zurück in die Türkei, stürmt Okan auf dessen Fahrzeug zu. Er springt auf die Motorhaube und hämmert mit bloßen Händen solange auf die Frontscheibe ein, bis diese zersplittert und die Insassin verletzt. Drinnen erleidet die 35-jährige Fahrerin einen veritablen Schock. "Ich dachte jetzt, ich sterbe. Ich habe geschrien wie am Spieß." Sie kann nächtelang nicht mehr schlafen, hat Panikattacken.

Was ist im Unternehmen los?

Im Hintergrund scheint sich seit Jahren eine ausländerfeindliche und rassistische Atmosphäre im Unternehmen ausgebreitet zu haben. Das bestätigt ein anderer Mitarbeiter, der selbst seiner polnischen Mutter wegen ins Visier beleidigender Sprüche geraten ist. Da hieße es dann, diese "Drecks-Batschaken" machten alles kaputt, gehörten weggesperrt oder gleich abgeschoben. "Am Arbeitsplatz muss man sich solche Sachen ständig anhören."

Auch trügen einige Kollegen "Gürtel und T-Shirts mit Symbolen der vergangenen schlechten Zeit". Eine nette Umschreibung für nationalsozialistische Symbole. Für Okan sind die Anfeindungen in der Tatnacht wohl der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Schon kurz nach den Vorfällen beginnt Okan, die Sachschäden wiedergutzumachen. Dem DJ bezahlt er die rund 2500 Euro für die teilweise zerstörte Musikanlage. Dem Arbeitskollegen ersetzt er die mehr als 900 Euro für die Windschutzscheibe. Er möchte sogar der Frau im Wagen ein Schmerzensgeld anbieten. Doch die lehnt die 500 Euro ab. Sie schlägt stattdessen vor, die Summe der "Nummer gegen Kummer" zu spenden – was Okan prompt macht.

Auch sucht er sich einen ambulanten Therapieplatz, um seine psychischen Probleme anzugehen. Kurz: Er tut alles, um trotz einer laufenden Bewährung noch einmal um eine Gefängnisstrafe herumzukommen. Denn Okan stand zur Tatzeit unter laufender Bewährung wegen mehrfacher vorsätzlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffes auf Vollstreckungsbeamte. Der Plan ging auf.

Was geschieht bei Bewährung?

Am Ende folgte Strafrichterin Silke Schneider dem Staatsanwalt Michael Demling, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung vorgeschlagen hatte. "Sie dürfen einfach nicht so ausflippen." Während der ungewöhnlich langen Bewährungszeit von vier Jahren darf sich Okan nun nichts mehr zuschulden kommen lassen. Ein Bewährungshelfer wird ihm zur Seite stehen. Damit Okan merkt, dass eine Bewährungsstrafe kein Freispruch ist, hat er in den folgenden zwei Jahren in monatlichen Raten insgesamt 2500 Euro Geldauflage an den Brückla e.V. in Forchheim zu überweisen. "Das ist ein schmaler Grat. Noch eine Chance kriegen Sie nicht".

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