Von der Pampa und Hollywood: Filmemacher aus der Fränkischen punktet in L.A.

27.12.2020, 05:48 Uhr
Von der Pampa und Hollywood: Filmemacher aus der Fränkischen punktet in L.A.

In dem 90-minütigen Film begleitet Kießling Schüler mit Migrationshintergrund in Nürnbergs Südstadt, die mit der Dichtkunst Poetry Slam ihre Stimme finden. Auf dem Preis ausruhen will sich Kießling nicht. Ganz im Gegenteil: Er ist Ansporn für weitere Projekte, die ihn nach Argentinien oder zurück in die fränkische Heimat führen könnten.

Doch zuvor noch mal kurz zurück nach Hollywood. "Ich habe immer daran geglaubt, dass dieser Film auch auf der ganzen Welt verstanden wird, weil es eine Geschichte ist, die überall gut nachvollzogen werden kann", sagt Kießling am Telefon im Gespräch mit den Nordbayerischen Nachrichten. "Migration und die damit verbundenen Schicksale gibt es auf der ganzen Welt."

Live bei der Preisverleihung

Bei der Preisverleihung in Los Angeles war Kießling live dabei. Via Computerbildschirm. "Rush Doc" heißt das internationale Festival, das Filme unterschiedlicher Genres aus der ganzen Welt zeigt. Wie auch die Nürnberger Südstadthelden, dank englischem Untertitel universal verständlich.

Es ist nicht der erste Preis, den der Filmemacher für sein Doku-Werk erhält. Bereits in Südkorea gewann der Film. Gedreht worden ist er an 60 Drehtagen in Nürnberg, Fürth und Erlangen im Jahr 2015. Um bei internationalen Festivals von der Jury gesehen und bestenfalls ausgezeichnet zu werden, können Filmemacher ihre Werke auf Portalen online einreichen und präsentieren. Eine Jury wählt die Streifen aus, die eine Chance auf einen Preis haben. "Für Filmemacher ist das Internet ein Riesenvorteil, die Welt ist einfach ganz klein." In L.A. lief Kießlings Dokumentation in Konkurrenz zu 20 Mitbewerbern.

Mehr als Anerkennung und Auszeichnung ist der Preis aus der Traumfabrik Hollywood nicht, denn Preisgeld gibt es keines. Ganz im Gegenteil: Für das Einreichen müssen Bewerber Gebühren zahlen. Dafür zahlt sich die Auszeichnung mit wertvollen Kontakten und der Chance, im Filmkosmos gesehen zu werden, aus. "So eine Auszeichnung ist auch eine Art Gütesiegel für den Film", sagt Kießling.

2020 fällt vieles flach

Online lassen sich auch die Corona-Einschränkungen gut umgehen. "Das Virus hat mein Jahr beeinflusst", sagt der Wahl-Münchner. Ein Engagement mit Red Bull in Österreich musste er verschieben. 2020 ist kein Vergleich. "Vergangenes Jahr war ich auf vielen internationalen Flugreisen zum Drehen unterwegs, das fällt aktuell komplett flach." Auch TV-Sender, potenzielle Abnehmer von Filmprojekten, äußern sich zurückhaltend. "Kein Sender lehnt sich aus dem Fenster, um Geld in neue Projekte zu investieren", sagt Kießling.

Von der Pampa und Hollywood: Filmemacher aus der Fränkischen punktet in L.A.

© Foto: Martin Kießling

Keine einfache Situation für jemanden, der nicht nur für Filme lebt, sondern davon auch seinen Lebensunterhalt bestreitet. Sein Vorteil seien die verschiedenen beruflichen Standbeine. Martin Kießling steht nicht nur hinter der Kamera, sondern kümmert sich auch um das Drehbuch oder den Schnitt. Aufgaben, denen er sich in der Lockdown-Phase verstärkt widmen kann.

Lieblingsprojekt: Kurzfilm mit ernstem Thema

Dazu gehört auch die Vorarbeit, bis es überhaupt zum Filmen kommt. Ein Drehbuch hat Kießling fertig in der Schublade und wartet nur darauf, es mit Schauspielern umzusetzen. Das Kurzfilm-Skript (30 Minuten) erzählt die fiktionale Geschichte einer Vater-Tochter-Beziehung. Die Tochter pflegt ihren an Demenz erkrankten Vater zu Hause. Wie gehen Angehörige mit einer solchen belastenden Situation um? Das ist die Kernfrage, die Kießling filmisch aufzeigen und beantworten will. Das Projekt ist ein Herzensanliegen.

"Das Drehbuch habe ich aus einer persönlichen Erfahrung heraus als Abschluss meines Studiums geschrieben. Es existiert seit Jahren und ich könnte sofort anfangen." Dafür müsste Kießling Mitstreiter finden, das Produktionsbudget organisieren, Schauspieler casten und einen Drehort entdecken. Ein altes Haus mit Garten schwebt ihm vor. Es könnte auch in seiner fränkischen Heimat stehen.

Neben dem Fiktionalen hat sich Kießling seit seinem Abschluss 2014 an der Fakultät Design der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg mit dem Schwerpunkt Film & Animation vor allem Dokumentationen verschrieben. Im Corona-Jahr hat er unter anderem mit Kollegen auf einer Intensivstation in Deutschland sowie für das ZDF-Sportstudio einen Film über Corona und die Auswirkungen auf den Sport gedreht, erzählt er.

Projekt in Südamerika geplant

Die nächste Filmidee könnte ihn nach Argentinien führen. "Ich würde gerne von einer globalen Geschichte erzählen, die Menschen überall betrifft." In Südamerika hat er vor der Pandemie einen Gaucho kennengelernt. Dies sind Menschen, die in der Pampa von ihrer Viehzucht leben. In Argentinien ist die Tradition eng mit dem Nationalgefühl verknüpft. "Die Globalisierung lässt sie aber weniger werden, verschwinden", sagt Kießling. Er müsste – wenn das nur so einfach wäre – einen Sender und Ansprechpartner finden.

"Wahrscheinlich könnte es eine Art Road-Movie werden, von meinem Kumpel, der durch sein Heimatland reist. Auf der Suche nach Tradition und Identität." Sofern sie noch vorhanden sei. "Man muss auch die Augen draufhaben, dass Globalisierung gute, aber auch schlechte Aspekte hat", sagt Kießling. Es sei nicht gut, wenn die Welt nur gleich wird und deshalb eine Tradition wie die der Gauchos unwiederbringlich verschwinde.

Am Ende soll der Film freilich auch Spaß machen. "So ein Abenteuer wäre jetzt mal wieder schön."

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