Nach seinem Abitur

Warum dieser Forchheimer monatelang auf Frachtschiffen unterwegs war

20.6.2021, 06:00 Uhr
Inzwischen ist Felix Alberth wieder zurück in Forchheim. Bis Mai war er über ein halbes Jahr lang auf Frachtschiffen unterwegs.

© Hubert Bösl, NN Inzwischen ist Felix Alberth wieder zurück in Forchheim. Bis Mai war er über ein halbes Jahr lang auf Frachtschiffen unterwegs.

Nicht nur was, sondern auch wie Felix Alberth erzählt, ist bemerkenswert. Er hat die Ruhe weg, und das obwohl er den langen Corona-Winter so erlebt hat wie vermutlich niemand sonst aus Forchheim. Während die meisten Menschen mehr Zeit zu Hause verbrachten, als ihnen lieb war, fuhr Alberth auf Frachtschiffen die Küsten Europas und Afrikas entlang. Für insgesamt sieben Monate.

Gemeinsam mit anderen Seeleuten transportierte er die unterschiedlichsten Ladungen – darunter Holz und Wasserrohre, aber auch Windräder und einmal sogar 22 Eisenbahnwaggons. "Wir sind von der Schifffahrt extrem abhängig, die macht einen großen Teil des Welthandels aus", sagt Alberth, der im Sommer 2020 sein Abitur am Herder-Gymnasium bestanden hat.

Berufswunsch schon als Kind

Wieso hat sich der 20-jährige Forchheimer entschieden, danach ein gutes halbes Jahr auf Schiffen zu verbringen? Den passenden Berufswunsch hatte Alberth schon als kleines Kind: Noch heute erinnert er sich an ein Pixi-Buch, in dem der Kapitän eines Schleppers vorgestellt wurde.

Später besuchte er Hamburg, auch das ist ihm im Gedächtnis geblieben: "Es war sehr eindrucksvoll, die Schiffe auf der Elbe fahren zu sehen." Es folgten Segeltörns und ein Praktikum im Schiffsbau. Aber: "Bevor ich die Schiffe baue und dann wegsegeln sehe, will ich sie lieber selber steuern."

Kapitäne und Offiziere arbeiten auf der Schiffsbrücke, um zu jeder Tages- und Nachtzeit den Überblick zu behalten, erklärt Alberth. Daneben gibt es noch das Deck, hier sind die Matrosen zu Hause. Und den Maschinenraum, wo ebenfalls Offiziere arbeiten, allerdings technische... Immer wieder driftet der Forchheimer in Details ab und sagt: "Das führt jetzt zu weit!" Doch ein Frachtschiff ist eben ein Mikrokosmos – mit unzähligen Regeln und Abläufen.

Piraten? Ab ins Versteck!

Zum Beispiel für den Fall, dass Piraten entern. Um den abgesetzten Notruf würde sich der Staat kümmern, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Die Crew hingegen würde sich in einem zuvor definierten Raum verstecken, bis die Piraten wieder von Bord sind. Auch Alberth hat das eingeübt, zum Ernstfall kam es während seiner sieben Monate nie.

Am Rande des Golfs von Guinea, einem bekannten Piratenhotspot, habe ihm zufolge aber durchaus eine mulmige Stimmung geherrscht. Alle Crewmitglieder bekamen Funkgeräte, und es wurde verstärkt Ausschau gehalten, ob eines der Fischerboote plötzlich beschleunigt. "Piraten sind bei uns immer so heroisch abgespeichert, aber es ist schon ein richtiges Problem!"

Alberth war zunächst auf der "Breb Courtesy", anschließend auf der "BBC Bergen" an Bord. Beide Schiffe gehören zur deutschen Rederei Briese aus der ostfriesischen Stadt Leer. Der Forchheimer absolvierte dort den ersten Teil seiner Ausbildung zum "nautischen Offiziersassistenten". Sein Arbeitstag dauerte ganz normale acht Stunden, allerdings auch an Wochenenden. Am Anfang schaute er vor allem zu, um die Arbeit der Matrosen kennenzulernen oder auf der Brücke Fragen zu stellen. So konnte er mit der Zeit immer mehr Aufgaben übernehmen.

Keine Frauen an Bord

Rund ein Dutzend Männer arbeiteten auf beiden Frachtern. Frauen gab es jeweils keine. "Es ist immer noch eine starke Männerdomäne", sagt Alberth. Kommuniziert wurde auf Englisch, wobei vor allem Russen, Ukrainer und Philippiner an Bord waren. So kam es, dass Alberth an Weihnachten zwar einen Plastik-Weihnachtsbaum schmücken konnte, das große Festessen aber erst an Silvester stattfand.

Und Freizeit an all den anderen Tagen? "Man sitzt mit den Jungs rum", sagt Alberth, oder schaut Serien. Diese müssen auf Festplatten mitgebracht werden, denn Internet gibt es auf den Frachtern nicht. Das schränkt auch die Möglichkeiten ein, mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben: "Wenn man nah genug an der Küste rumfährt, kann man daheim anrufen." In Gibraltar etwa habe er für ein bis zwei Stunden Empfang gehabt.


Im Video: So geht es auf einem Frachtschiff auf dem Main-Donau-Kanal zu


Neben der anstrengenden Arbeit nennt Alberth dann auch Heimweh als eine der größten Herausforderungen. Zweifel habe er jedoch nicht gehabt. Und Corona? "Wir hatten fast keine Landgänge", bis auf ein einziges Mal in Spanien. Ansonsten hielten sich die Auswirkungen für ihn in Grenzen. Im ersten Lockdown aber hätten viele Seeleute Probleme gehabt, nach getaner Arbeit in ihre Heimatländer zu gelangen.

Vier Meter hohe Wellen

"Ab drei bis vier Metern Welle wird es unangenehm", berichtet Alberth von der gelegentlichen Schwierigkeit, einen guten Schlaf zu finden. "Da liegt man mit ausgestreckten Gliedmaßen im Bett und hofft, dass man nicht rumrollt!" Bei größeren Stürmen werde indes sowieso an der Küste geankert.

Jetzt, wo er wieder auf festem fränkischen Boden steht, genießt Alberth es, "einfach mal einen Tag nichts zu machen", oder auch nach Belieben Eis essen zu können. Auf Schiff habe es das nämlich nur Sonntags gegeben. "So einen Luxus wieder zu haben, ist schön!"

Im Herbst will Alberth sein Nautikstudium in Flensburg beginnen, für das die praktische Ausbildung auf den Frachtschiffen Voraussetzung war. Anschließend will er unbedingt "aufs Schiff", gerne bei der selben Rederei.

Noch hält sich der zukünftige Nautikstudent übrigens für keinen guten Seemann. Begründung: Er sei "ein schlechter Erzähler". Er hat also nicht nur die Ruhe weg, sondern kann auch über sich selbst lachen.

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