Laptop statt Bundestag: So arbeiten Politiker in Zeiten von Corona

7.4.2020, 08:26 Uhr
Laptop statt Bundestag: So arbeiten Politiker in Zeiten von Corona

© Foto: Ulrich Graser

Kontaktverbote sind gerade für Politikerinnen und Politiker ganz fatal. Sie leben gewissermaßen vom Kontakt zur Bürgerschaft. Er ist essentiell für bürgernahe Politik auf allen Ebenen. Gerade deswegen, weil sie so viele Hände schütteln, sind Politiker aber auch potenziell die gefährlichsten Verbreiter von Viren und Keimen. Und müssen deswegen zurzeit erst recht ihr Geschäft nur von zuhause aus betreiben. Aber wie sieht das konkret aus? Wir haben in Bundes- und Landtag nachgefragt.

Seinen Mitarbeitern im Abgeordnetenbüro will Michael Hofmann (CSU) derzeit nicht begegnen. Nicht weil der Landtagsabgeordnete sie nicht leiden könnte, sondern um niemanden in Gefahr zu bringen oder sich selbst mit dem Corona-Virus anzustecken: "Wir teilen uns das. Es ist immer einer im Büro. Wenn ich da bin, sind keine Mitarbeiter da."

Auch Lisa Badum, Abgeordnete der Grünen im Bundestag, erscheint ihren Mitarbeitenden derzeit nur virtuell, nicht persönlich: "Erst unlängst ist es uns wieder einmal gelungen, die Büros in Berlin und Bamberg in einer Videokonferenz zusammenzubringen" (wobei alle bei sich zuhause saßen). Damit spricht Badum indirekt an, worauf es in diesen Zeiten ankommt: "Die Technik muss stimmen" – und funktionieren.


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Die Grünen verwenden zum Beispiel für Mitarbeiterbesprechungen und Fraktionssitzungen die Software "Zoom". Sie stellt relativ unkompliziert Video-Konferenzen her.

Für Ausschusssitzungen im Berliner Bundestag ist noch keine entsprechende Lösung gefunden: "Die Verwaltung ist noch in der Findungsphase", sagt Lisa Badum. Am Mittwoch hat sie erstmals von ihrer Forchheimer Wohnung aus an einer Ausschusssitzung per Telefonkonferenz teilgenommen. Zwei Stunden Rede- und Antwort-Spiel im Wirtschaftsausschuss: "100 Teilnehmer waren zugeschaltet, davon 65 Abgeordnete." Telefonkonferenzen, sagt Michael Hofmann, "fördern die Disziplin", sind aber auch sehr schwierig in der Durchführung: "Die Verbindungen sind meist nicht so gut, dass man jeden immer versteht. Es gibt die Zeitverzögerung, Hintergrundgeräusche. Man blättert durch seine Unterlagen und fragt sich: Reden wir alle von derselben Sache?" Schnell, sagt Hofmann, "hat man da mal was falsch verstanden."

Im Interesse einer "lebendigen Debattenkultur" sind Telefon- oder Video-Konferenzen jedenfalls nicht, pflichtet Sebastian Körber (FDP) bei: "Zu einer Debatte gehören Zwischenrufe und der schnelle Austausch von Argumenten." Durchs Telefon sehe man "keine Mimik und keine Gestik", was zu einer Debatte alles dazugehöre.

Anders sieht Körber die Technik bei "reinen Anhörungen". Da könnten auch mal Experten zugeschaltet werden oder jemand klinkt sich nur zeitweise ein. Wie meldet man sich bei Telefonkonferenzen zu Wort? Mit dem Wort "Wortmeldung" zum Beispiel, so Körber. So hält es die FDP-Fraktion, wenn sie virtuell tagt. Parallel bleibt die interne WhatsApp-Gruppe geöffnet. Und wer auf die Rednerliste gesetzt werden will, tippt eben seinen Namen oder "Wortmeldung" ins Smartphone.

Die FDP im Landtag hat elf Sitze. Bei der CSU, mit über 80 Mandatsträgern, funktioniert die Telko nicht, sagt Michael Hofmann: "Unsere letzte Fraktionssitzung haben wir im Plenarsaal abgehalten, dort haben wir ausreichend Platz, um Abstand zu halten." Auch der Idee, Ausschusssitzungen per Telefon und/oder Video abzuhalten, kann Hofmann nichts abgewinnen: "Es ist ein anderes Diskutieren, Rede und Gegenrede funktionieren nicht so." Immerhin gebe es im Landtag genügend Räumlichkeiten, "wo wir tagen und auf Abstand gehen können".


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Für "informelle Gespräche" dagegen seien Telko und Videokonferenzen durchaus geeignet. Die CSU setzt dabei auf die Programme Skype und Microsoft Teams. Hofmann nutzt außerdem die Messenger-Dienste WhatsApp und Threema. Außerdem telefoniert er bis spät in die Nacht: "Anders kann ich die Gespräche gar nicht abarbeiten."

Alle drei Abgeordneten befinden sich derzeit vor allem zuhause: "Wir Politiker", sagt Hofmann, "die über Ausgangsbeschränkungen entscheiden, sollten das auch am eigenen Leibe erfahren." Lisa Badum sieht es genauso: "Wir haben da eine Vorbildfunktion." Der Reiz der Politik, sagt sie, bestehe auch darin, "mit Personen und Gruppen zu interagieren". Wenn man nur daheim sitze und nicht unterwegs sein kann, sagt sie, fehle ihr schon etwas.

Aber: "Mir geht es gut. Ich wohne in der Nähe des Kellerwaldes, das ist schön zum Joggen und Spazierengehen. Der Vorteil der Situation: "Es ist schon etwas ruhiger und ich habe mehr Zeit, mich in Themen einzuarbeiten." Geplante Firmenbesuche finden jetzt eben als Telefongespräche statt. Sebastian Körbers Terminkalender, sagt er, ist auch nicht viel weniger gefüllt als sonst. Anstelle von Außenterminen stehen jetzt halt mehr Telefonate auf dem Zettel.

"Die Zeit nach Corona wird eine andere sein als die Zeit vor Corona." Was Michael Hofmann so apodiktisch sagt, bezieht er auch, aber nicht nur auf die parlamentarische Arbeit. Die werde sich aufgrund der Erfahrungen in der Pandemie-Phase sicher auch da oder dort ändern, "ein Stück weit digitaler" werden, wie Sebastian Körber meint. Doch Hofmann sieht darüber hinaus auch Veränderungen auf die Gesellschaft insgesamt zukommen: "Das wird Vorteile haben, aber auch Nachteile."

Spezieller Fall

Ein spezieller Fall unter den Abgeordneten ist Thorsten Glauber (FW) aus Pinzberg. Der Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz trifft sich mit dem Kabinett und dem Katastrophenstab der Regierung noch persönlich zu den Sitzungen in der Staatskanzlei: "Dort sind die Räumlichkeiten groß genug, wir halten den Sicherheitsabstand ein."

Ansonsten haben auch im Kabinett wie auch in der FW-Fraktion neben Telefon- auch Video-Konferenzen Einzug gehalten, unter anderem mit Skype, aber auch auf anderen Plattformen, so Glauber. "Es ist eine andere Gesprächskultur, man muss den anderen ausreden lassen." Bei Video-Konferenzen entstehe noch eher eine Diskussion als bei reinen Telefon-Schalten.

Seine Mitarbeiter im Abgeordnetenbüro wechseln zwischen Homeoffice und Arbeitsplatz. Die beiden Chauffeure, die den Minister durchs Land fahren, hat er frei gegeben: "Sie gehören beide einer Risikogruppe an." Deswegen lautet Glaubers Devise seit Corona: Der Minister fährt selbst.


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