Wenn der Christbaum zu riechen beginnt...

3.5.2018, 14:04 Uhr
Wenn der Christbaum zu riechen beginnt...

© Ralf Rödel

Die Natur — Sie greift mich an! In meinem Wohnzimmer. Der Christbaum war es. Wenige Tage nach Weihnachten. Da fing er an zu riechen. Nach Baum. Mehr noch: Als wären einem ganzen Wald voller Tannen plötzlich die Deos ausgegangen und der konzentrierte Baumschweiß durchströmte nun unser Wohnzimmer. Urplötzlich, einfach so.

Vorher: nichts, kein bisschen Eigengeruch, höchstens ein Hauch von abgebrannter Wachskerze (Sie wissen noch, ich bin die Echtkerzen-Fetischistin). Was hat sich der Baum dabei gedacht??? Eine späte Rache dafür, dass wir seinen Geschmack nicht getroffen hatten? Vielleicht stand er auf die altdeutsche Art des Schmückens mit Holzfiguren und Strohsternen? Wir hatten ihn mit Glasfiguren behängt. Kein Lametta. Gehörte er zu der Sorte anti-autoritär erzogener Bäume, die das gerne vorher mit uns ausdiskutiert hätte? Oder war das seine Art von Öko-Protest: Der Wald gehört dahin, wo er herkommt?

In mein Wohnzimmer jedenfalls gehört der Wald nicht, da stinkt er mir gewaltig. Wir versuchten es mit Ignorieren: saßen auf unserem Sofa und aßen Plätzchen. Schmeckten alle nach Erkältungs-Badeperlen. Wir tranken Weihnachts-Tee: Ich hatte das Gefühl, ich gurgle mit Duftbäumchen. Wir gaben ihm Wasser, wir lüfteten, wir schalteten die Heizung aus. Es half nichts. An Gasmasken war auf die Schnelle nicht heranzukommen.
Ich redete ihm gut zu. Als Antwort ließ er eine Glaskugel fallen. Vom Tannenduft berauscht beschlossen wir, ihn zu verfeuern, merkten gerade noch rechtzeitig, dass wir gar keinen Ofen haben und griffen zur radikalsten aller Maßnahmen: Rauswurf.

Und dann lese ich das: Es gibt Menschen, die kaufen sich künstliche Weihnachtsbäume und besprühen sie mit Tannenduft für das authentische Erlebnis. Verstehe einer die Welt.

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