Wo einst der Herr des Wassers sein Zuhause hatte

19.8.2014, 12:00 Uhr
Wo einst der Herr des Wassers sein Zuhause hatte

© Foto: Andreas Kummer

18.30 Uhr. Sintflutartiger Regen hat soeben eingesetzt im beschaulichen Tal von Großenohe, unweit der Spießmühle. Unterwegs ist bei diesen Bedingungen weit und breit niemand – außer einer Gruppe fränkischer Naturfreunde. Den Regen kaum beachtend haben sie sich unter einer Pappel eingefunden. Neugierig werden deren Blätter studiert. Einige pflücken sich ein paar und tasten sie mit den Händen ab. „Die sehen ganz unecht aus“, meint eine Frau. Und eine andere fügt hinzu: „Fühlt sich fast wie weiches Leder an.“

Wer da steht und staunt, ist nicht irgendwer. Es sind vielmehr die Teilnehmer einer Tour durch die Natur, die von Christa Heinze geleitet wird. Die Pappel hat die Kräuter-Expertin nicht nur wegen ihrer besonderen Blätter ausgesucht, um sie der Gruppe zu zeigen. Auch weil die Pappel – es ist genau gesagt eine sogenannte Pilzige Pappel – insgesamt sehr selten vorkommt, sei sie sehr sehenswert. „Solche Bäume können 400 Jahre alt werden“, fügt Heinze hinzu.

Viel zu bieten

Was das Großenoher Tal außerdem noch alles zu bieten hat, hat Heinze ihren Teilnehmern gleich zu Beginn der Wanderung gezeigt. Diese startete direkt am Großenoher Wanderparkplatz, in dessen Nähe sich ein steiler Hang mit einem Trockenrasen befindet. „Diese Wiese blüht im Frühjahr unglaublich schön“, schwärmt Heinze. Doch sei der Trockenrasen, der unter Naturschutz stehe, auch enorm wichtig für Bienen. Zudem beherbergt er viele Heilkräuter.

Am Fuße des Hangs wächst, fast unscheinbar, eine weitere Pflanze, auf die Heinze aufmerksam macht: die Wilde Pastinake. Sie gehört zu den Doldenblütlern und ist damit normalweise von weißer Farbe. Diese Pastinaken hier allerdings blühen Gelb. „Im ersten Jahr kann man die Wurzel nutzen und die Blätter mit ins Gemüse schneiden“, erklärt Heinze. Jeder, der möchte, hat außerdem Gelegenheit, einmal von den Samenkörnern eine Kostprobe zu nehmen.

Entlang eines schmalen, vom Regen aufgeweichten Wegs führt Heinze die Gruppe tiefer ins Tal. Vorbei geht es dabei immer wieder an Brunnenkresse, die im Wasser eines kleinen Baches blüht. „Sie hat viel Vitamin C und Eisen“, verrät Heinze den interessierten Naturfreunden. Wer sie essen möchte, kann daraus einen pikanten Brotaufstrich machen – und sich auf einen scharfen Geschmack freuen, schließlich gehöre Brunnenkresse zu den Kreuzblütlern wie Rettich und Radieschen. Doch Vorsicht: Unter den Blättern der Brunnenkresse versteckten sich oft kleine Schnecken, die man besser entfernen sollte.

Zu den kuriosesten Pflanzen im Großenoher Tal gehört sicherlich das Indische Springkraut. Es schnalzt seine Früchte bis zu acht Meter weit. Wie das aussieht, demonstriert Heinze, indem sie auf die großen dicken Früchte drückt. Seinen Weg zu uns hat das Springkraut aus dem Himalaya-Gebirge gefunden. Zwar sehe das Gewächs mit seinen rosa Blüten durchaus sehr hübsch aus. Doch als Problem erweist sich, dass das Springkraut den heimischen Pflanzen den Lebensraum nimmt. Essen kann man die Blüten und die Samenspender – „zumindest, wenn sie nicht davonspringen“, lacht Heinze.

Tee gegen Kopfweh

Ein für den Laien ungewöhnliches Aussehen hat auch das Mädesüß. Ihre Blüten, so Heinze, seien geeignet, um daraus Tee zu machen. Dieser helfe speziell gegen Kopfweh und kann auch dazu beitragen, Fieber zu senken. Im Volksmund wird das Gewächs auch als Wiesenkönigin bezeichnet – schlicht deshalb, weil es über die anderen Pflanzen hinauswächst.

Zum Ende ihrer Tour hat Heinze noch eine Geschichte in petto. Sie betrifft den Dörnhof, der sich in Sichtweite befindet. „Hier hat in früheren Tagen der Wässerer gewohnt“, sagt Heinze. Wässerer, das heißt, dass der Besitzer des Dörnhofs entscheiden konnte, welcher Bauer im Tal Wasser für seine Wiesen bekommen hat. Viele kleine Kanäle durchzogen nämlich einst das Tal, und nur der Dörnhof entschied hier vor Ort, welcher Kanal aufgemacht wurde. Die Bauern waren deshalb auf den „Herrn über das Wasser“ angewiesen.

Doch nicht nur aus historischer Sicht sind solche Wässerwiesen interessant. Sie sind auch Heimstätte für Orchideen – und damit ein weiterer Augenschmaus im Großenoher Tal.

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