Wo und warum es im Kreis Forchheim an Kinderbetreuung mangelt

15.5.2021, 08:00 Uhr
Wo und warum es im Kreis Forchheim an Kinderbetreuung mangelt

© Archivbild: Mathias Erlwein

Zweieinhalb Jahre hat es gedauert, erzählt Mario Holler, bis er den Vertrag für einen Platz für seine beiden Zwillingsmädchen Sophia und Emilia in einer Kindertageseinrichtung unterschreiben konnte. Dass es so schwierig werden würde, hatte er sich nicht vorgestellt, sagte er. Wollte er doch ohnehin mit seiner Frau die Kinder in den ersten drei Jahren zu Hause betreuen, ganz so, wie jeder von ihnen es selbst kennen und schätzen gelernt hatte.

Seit August 2013 haben Kinder ab dem ersten Geburtstag einen Anspruch auf den Platz in einer Kindertageseinrichtung. So steht es im Sozialgesetzbuch. Wollen Eltern einen solchen Betreuungsplatz, sollen sie mindestens ein Vierteljahr vorher ihren Anspruch anmelden.

Probleme in vielen Orten

Für die Bedarfsplanung ist der Landkreis verantwortlich, gibt jedoch diese wiederum an die einzelnen Kommunen ab: „Die Gemeinden müssen selber planen“, erklärt Martin Hempfling vom Landratsamt Forchheim. Doch einfach ist es nicht: „Wir stehen unter Druck“, sagt Gerhard Bauer, Bürgermeister in Hallerndorf. Die Gemeinde steht hier nur exemplarisch: Für Krippen- und Kindergartenkinder gibt es fast in jedem Ort zu wenige Plätze.

Mit einer Bedarfsanalyse will die Jugendhilfeplanung im Landratsamt Forchheim herausfinden, wie viele Plätze wo benötigt werden. Dafür wurde ein Fragebogen an alle Eltern mit Kindern im Alter von unter sechs Jahren verschickt. Dass der Bedarf an Betreuung zugenommen hat, bestätigt Hempfling. Schließlich wurden in den vergangenen Jahren auch mehr Kinder geboren. 

Die aktuellen Zahlen sollen nach einem Bevölkerungsmodell hochgerechnet werden. Damit könnten regionale Veränderungen mit einbezogen werden, wie beispielsweise die Ausweisung neuer Baugebiete. Denn auch das lässt die Bevölkerungszahl wachsen.

Die Gemeinden und Städte müssen schließlich auf den gestiegenen Bedarf reagieren und in manchen von ihnen werden vorübergehende Lösungen zur Überbrückung gefunden. Das kann eine Moduleinrichtung wie ein Container sein, erläutert Hempfling, aber auch die Anmietung zusätzlicher Räume. Sobald genügend Kapazität in den eigentlich dafür vorgesehenen Einrichtungen ist, könnten die Provisorien wieder aufgegeben werden.

Die Elternbefragung wird in dreijährigem Abstand und jetzt zum fünften Mal durchgeführt. Die untere Grenze des Bedarfs errechne sich aus den vorhandenen Plätzen zuzüglich den Kindern der Warteliste, erklärte Hempfling. Für die obere Grenze seien die Daten aus der Befragung wesentlich.

Auf dem Land ist es anders

Der konkrete Bedarf in den einzelnen Ortschaften ist jedoch von wesentlich mehr Faktoren als der reinen Anzahl der Kinder abhängig. Während Kinder in den kleineren Dörfern auch in familiären Strukturen betreut werden, kann das in größeren Gemeinden oder in neu gebauten Wohngebieten anders aussehen. Steht beispielsweise keine Oma zur Verfügung, einfach deswegen, weil die Eltern aus einer anderen Gegend nach Franken gezogen sind, brauchen sie einen Platz in der Kindertagesstätte. Die Kommunen sind daher verpflichtet, die benötigten Plätze zur Verfügung zu stellen. 

Hallerndorfs Bürgermeister erinnert das ein wenig an den Wettlauf von Hase und Igel: In Trailsdorf wird gerade ein neuer Kindergarten gebaut und trotzdem sind es 25 Plätze zu wenig. Nina Saffer ist als Mitarbeiterin im Hallerndorfer Rathaus für die Kindertagesstätten zuständig und stellte kürzlich den Gemeinderäten die aktuellen Zahlen vor. Da die Nachfrage deutlich höher als der angebotene Platz ist, soll das alte Gebäude des Trailsdorfer Kindergartens zunächst weiter genutzt werden. 

Nur eine Seite der Medaille

Doch die Räume sind nur die eine Seite der Medaille, weiß Bürgermeister Bauer. Ebenso händeringend sucht die Kommune nach geeignetem Personal. Dabei versucht Hallerndorf, den Erzieherinnen und Pflegerinnen gute Arbeitsbedingungen zu bieten, beispielsweise einen besseren Betreuungsschlüssel als vom Gesetzgeber vorgesehen. Das kommt nicht nur dem Personal, sondern auch den Kindern zugute. Mitarbeiter in Kindertageseinrichtungen könnten sich heutzutage ihren Arbeitsplatz wohnortnah aussuchen und in Teilzeit arbeiten. Selbst wenn die Kommune ihnen gerne mehr zahlen würde, ist sie an den gültigen Tarifvertrag gebunden.

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Leidtragende sind die Eltern, die lange auf einen Platz in einer Einrichtung warten müssen, so wie Mario Holler. Er meldete seine Mädchen in der Kindertageseinrichtung an, da waren sie gerade ein halbes Jahr alt, bekam jedoch lange Zeit keine Rückmeldung von der Gemeinde und wurde immer wieder an die einzelnen Leitungen der Kindertagesstätten verwiesen. Er drohte sogar, seinen Rechtsanspruch per Verwaltungsklage durchzusetzen. Bis ihm gewissermaßen der Kragen platzte und er an die Gemeinderätin Angelika Pfister (CSU) einen offenen Brief schickte. Sie las ihn in der Gemeinderatssitzung vor – und drei Tage später konnte Holler den Betreuungsvertrag unterschreiben.

SYLVIA HUBELE

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