Eine Spurensuche

Wurden unter der Kasberger Linde einst Todesurteile gefällt?

13.10.2021, 13:52 Uhr
Wurden hier Todesurteile gefällt? 

© Petra Malbrich Wurden hier Todesurteile gefällt? 

Eine Linde war schon jeher ein zentraler Platz im Dorf. Dort wurde getanzt, es wurde geheiratet und auch politisiert. Als Naturdenkmal zählt die "Kasberger Linde", auch unter dem Namen Kunigundenlinde bekannt. Doch vor allem ging sie als Gerichtslinde in die Geschichtsbücher ein. Unter der Linde wurde über die kleinen und großen Verbrechen der Landsleute und Gräfenberger Gericht gehalten und das Urteil erlassen. Das ist der erschreckende Teil der Geschichten, die hinter den Naturdenkmälern stehen. So friedlich die Linde auch wirkt, wie im menschlichen Leben im Alter gestützt, so brutal war so manches Urteil, das unter der Linde gesprochen wurde.

Den eigenen Vater hinterrücks erschossen?

Unglaublich, dass sich Menschen solche Strafen ausgedacht und ausgeführt haben, wie beispielsweise an dem "armen" Franz Seuboldt. "Er war der Sohn des Nürnberger Vogts und zog der Liebe wegen nach Gräfenberg, heiratete und kaufte sich ein Haus. Ob er deswegen sieben Jahre später in Geldnot kam, ist nicht überliefert. Nur dass er fast bankrott war und seinen Vater um einen finanziellen Zuschuss bat", erzählt Hans-Peter Reck, Vorstand der Altstadtfreunde. Wann Franz seinen Vater um Unterstützung bat, ist ebenfalls nicht bekannt, nur dass der Vater im September 1589 in seinem Vogelherd in Strahlenfels hinterrücks erschossen und tags drauf tot aufgefunden wurde.

In den damaligen Schriften klingt das ein bisschen emotionaler: "Er wurde hindterwerts jämmerlich unnd dermassen in den leib geschossen, das er volgenden abends mit großen schmertzen unnd wehklagen tods verschieden", zitiert Reck aus den Schriften. Natürlich wurde Franz verdächtigt, seinen Vater ermordet zu haben und daraufhin über Gräfenberg nach Nürnberg gebracht und ins "Loch" geworfen wurde. Franz bangte um sein Leben und tat, was jeder tun würde: Er stritt die Tat ab. Doch die Herren glaubten ihm nicht.

Es folgte Folter, dann gestand er

Angeblich wurde er bei der Tat beobachtet, ebenso wie er nach dem Schuss aus dem Wald floh. Die Drohung verfehlte ihre Wirkung. Franz imponierte es nicht. Er hatte keine andere Wahl, als den Mord weiterhin abzustreiten, woraufhin er gefoltert wurde. In den Schriften klingt das ein wenig harmlos: "Als er nicht gestehen wollte, wurde er gepunden und bedrohet", sagt Reck.

Letztendlich gestand Franz und bat selbst darum, die Strafe zu bekommen, die er verdient habe. Der Vater hatte ihm nicht helfen wollen. Weder finanziell, noch als Bürge. Schon zweimal habe er zuvor versucht, den Vater zu vergiften. Vergeblich. Nun habe Franz geschossen. "Alle Taten habe ihm der 'böse Geist' – der Teufel eingeflüstert, erklärte der Angeklagte, der damit um Gnade bat", erzählt Reck.

Am 21. Oktober 1589 wurde das Urteil verkündet: Tod durch Rädern

Am 21. Oktober 1589 wurde das Urteil verkündet. Franz sei ein Mörder und Missetäter. Zum Tod durch Rädern wurde er verurteilt. "Es war ein grausamer und schmerzhafter Tod", erklärt der Vorstand der Altstadtfreunde. Mit einem schweren Eisenrad wurden diese verurteilten Menschen zermalmt. Oft wurden ihnen schon vorher einzelne Glieder zermatscht oder mit glühenden Zangen bearbeitet. Als abschreckendes Beispiel wurden die Hingerichteten noch auf das Wagenrad gelegt, für jedermann sichtbar. Vollstreckt wurde das Urteil nicht unter der Linde. "Ob Franz unter der Kasberger Linde schuldig gesprochen wurde, wie viele andere auch, ist nicht ganz bekannt", sagt Reck. Noch immer sei fraglich, ob es sich bei den Gerichten unter der Linde um die Kasberger Linde handelte.

Jedenfalls wurde unter der Linde bis Ende des Mittelalters Urteile gefällt, im 13. Jahrhundert durch den Auerbacher Landrichter Schrannengericht mit ganzem Gerichtsstab gehalten. Dieser Stab war vor allem bei Blutgerichtsbarkeit verwendet worden. Der Stab wurde nach dem Urteil zerbrochen. Daher die Redewendung "den Stab über jemanden brechen". So sagt es der Volksmund und so ging es in die Geschichtsbücher ein. Doch etwas Genaues weiß niemand. Genauso wenig wie über das Alter der Kasberger Linde. Es wird auf 600 Jahre bis 1000 Jahre geschätzt. Manche schätzen sie sogar auf über 1000 Jahre. Die Kunigundenlinde wäre dann eine der zehn ältesten Bäume in Deutschland. Ob der Baum dem Namen nach von Kaiserin Kunigunde 1008 gepflanzt wurde, als ihr Ehemann das Bistum Bamberg gründete, ist nicht geklärt und fällt manchen Heimatforschern zufolge in die Kategorie der Gerüchte. Jedenfalls geschahen unter der Kasberger Linde viele Ereignisse und der Baum zählt sicher nicht nur zu den ältesten Bäumen in Deutschland, sondern ebenfalls zu den schönsten.

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