Zwei Schwestern, ein Schuh, ein Anruf und ein Fingernagel

24.2.2021, 14:15 Uhr

Was ist passiert? Die jüngere Schwester ging mit der älteren an einem Samstag feiern, ohne ihren Freund mitzunehmen. Der reagierte sauer und kreuzte, kaum waren die Zwei am Sonntagnachmittag wieder zuhause, bei ihnen auf. Um seine Sachen abzuholen. Darüber geriet das Pärchen in Streit. Sie will ihn laut Aussage vor Gericht geschubst haben und sich dafür "eine Schell’n" eingefangen haben. Aber ein Schlag mit der flachen Hand ist halt nun einmal eine vorsätzliche Körperverletzung, wie denn auch der erste Anklagepunkt lautete.

Die jüngere Schwester lag am Boden, als die ältere meinte, eingreifen zu müssen. Sie zog ihre Schwester weg, weil sie den Mann über sie gebeugt sah. Hat dieser sie dann am Halsband zu Boden gezogen, sie geschubst oder ist er selbst über die Türschwelle zwischen Küche und Bad gestolpert? Das alles ließ sich im Nachhinein nicht mehr klären. Und ebenso wenig der weitere Hergang. Sicher ist nur: Die ältere Schwester, die knapp an der Schwelle lag, spürte den stabilen Wanderschuh des Mannes in ihrem Gesicht. Wegen eines Stolperns, unbeabsichtigt aus der Bewegung heraus oder ein absichtlicher Tritt? Unklar. Als Verletzung trug die Frau nur eine Hautrötung oder einen leichten Bluterguss auf der Stirn davon, die ohne ärztliche Behandlung nach zwei Tagen wieder verschwunden war. Das sprach gegen eine gefährliche Körperverletzung, obwohl der feste Schuh ansonsten durchaus als Werkzeug für lebensbedrohende Verletzungen eingestuft werden kann.

Nochmal davon gekommen

Die Schilderungen der Zeuginnen vor Amtsrichterin Silke Schneider waren viel milder als ihre seinerzeigen Angaben bei der Polizei. Die hatten die Schwestern sowieso nur gerufen, weil der Vater damals telefonisch nicht zu erreichen war. Trotz mehrfacher Ansätze hatte der Staatsanwalt kein Licht ins Dunkel gebracht. Er reagierte durchaus gereizt, als der Angeklagte seiner schwangeren Freundin während ihrer Aussage etwas zuflüstern wollte.

Die Situation löste der Verteidiger. Er bat um ein Rechtsgespräch. Hierin einigten sich er, der Staatsanwalt und die Richterin, dass der Angeklagte eine Strafe zwischen vier und sechs Monaten erhält, wenn er die zwei Körperverletzungen gestehe. So lief es dann auch ab. In seinem Plädoyer hob der Staatsanwalt dennoch hervor, dass der 28-Jährige erst vor einem Jahr "die dunkelgelbe Karte" in Form einer Geldstrafe für eine Körperverletzung erhalten hat. Er forderte ein Anti-Aggressionstraining, da der Mann Konfliktpotenzial angestaut habe, und sah darin eine Chance, die familiäre Situation zu entschärfen. Schließlich wird der Mann im Sommer Vater.

Da solche Kurse wegen Corona im Moment kaum stattfinden können und genügend Leute auf der Warteliste stehen, nahm die Richterin diesen Punkt nicht in die Bewährungsauflagen auf. Sehr wohl aber 80 gemeinnützige Arbeitsstunden. Denn diese könne er ableisten, auch wenn er in Vollzeit berufstätig ist. Nochmal davon gekommen – so könnte man die Lage des jungen Mannes beschreiben. Und auch die der beiden Frauen, weil der Staatsanwalt nicht noch mehr insistiert hat, um sie womöglich der Falschaussage zu überführen. Aber das war der Freundin des Angeklagten anscheinend nicht das Wichtigste an diesem Vormittag: Beim Hinausgehen aus dem Gericht beklagte sie ausführlich, dass ihr ein Fingernagel während der Verhandlung abgebrochen sei.