NN-Serie "Mitten unter uns"

Zwischen Fachwerkhäusern und Scheunen: In der Fränkischen Schweiz entsteht eine offene Brauerei

Patrick Schroll

Stellvertretender Ressortleiter

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20.5.2022, 19:41 Uhr
In frischem Gelb strahlt das sanierte Haus in der Egloffsteinerstraße in Kunreuth, umgeben von Scheunen und Fachwerkhäusern. In dem Ort im Herzen der Fränkischen Schweiz lebt eine alte Tradition wieder auf. Wer will, kann bei der Sud selbst Hand anlegen. 

© Athina Tsimplostefanaki, NN In frischem Gelb strahlt das sanierte Haus in der Egloffsteinerstraße in Kunreuth, umgeben von Scheunen und Fachwerkhäusern. In dem Ort im Herzen der Fränkischen Schweiz lebt eine alte Tradition wieder auf. Wer will, kann bei der Sud selbst Hand anlegen. 

Mit dem Porsche durch die Fränkische cruisen? Ja, das hätte Horst Franke auch mit dem Geld machen können. Doch stattdessen investiert der Vorsitzende des Vereins "Kunreuth: Hier lässt sich's leben" zusammen mit Bürgermeister Ernst Strian die Euros in ein altes Bauernhof-Areal. In dem ersten frisch-sanierten Haus erblickt bald eine Brauerei das Licht der Hopfenwelt. Eine schon längst ausgestorbene Dorf-Tradition erhält ein zweites Leben.

Am Wochenende 21./22. Mai wird Horst Franke, Vorsitzender des Vereins "Kunreuth: Hier lässt sich's leben", der Öffentlichkeit erstmals die Brauräume zeigen. 

Am Wochenende 21./22. Mai wird Horst Franke, Vorsitzender des Vereins "Kunreuth: Hier lässt sich's leben", der Öffentlichkeit erstmals die Brauräume zeigen.  © Athina Tsimplostefanaki, NN

Herr Franke, warum lässt es sich in Kunreuth besser leben als in anderen Gemeinden?

Es liegt an den Menschen. Sie sind sehr vertraut miteinander, weil es kein großes Dorf ist. Sie sind hilfsbereit, es ist immer jemand erreichbar. Außerdem haben wir im Dorf alles, was man zum Leben braucht: Einkaufsladen, Metzgerei, Bäckerei, Apotheke, mehrere praktizierende Ärzte im Ärztehaus, Zahnarzt, zwei Gastwirtschaften - am Schloss und eine Pizzeria im Sportheim - oder einen Friseur. Sie bräuchten kein Auto und könnten wunderbar überleben. Natürlich haben wir noch unzählige verschiedene Vereine.

Es gibt nicht (mehr) viele Dörfer, die eine solche intakte und lebendige Struktur, also einen echten Dorfkern haben. Warum ist das in Kunreuth so erfolgreich?

Wir haben vier Einfallstraßen, die viel Verkehr und damit auch Kaufkraft mitbringen. Andererseits verursacht gerade der viele LKW-Verkehr Lärm, der stört. Kunreuth war aber auch schon immer ein Zentrum, in dem es Geschäfte gab. Das liegt auch an der Geschichte des Ortes.

Sie schreiben die Geschichte weiter und damit neu: Während andernorts Traditions-Brauereien schließen, gründen Sie eine neue mitten im Ortskern. Wie kommt man auf so eine Idee und worauf darf sich der Biertrinker freuen?

Es gibt bereits mehrere Leute im Ort, die für sich selbst Bier brauen. Sie tun das meist in kleinen Kochkesseln, die sie zu Hause haben, also im kleineren Stil. So entstand die Idee, aus dem Hobby Einzelner etwas für das Dorf zu tun. Wir werden keine Brauerei mit einem Mega-Ausstoß werden, die die ganze Region versorgt. Es wird eine Vereinsbrauerei. Wir wollen einen Ort schaffen, wo man zusammen brauen kann. Das Gesellige und der gesellschaftliche Aspekt stehen im Vordergrund. Wir haben eine Brauanlage und einen Gärkessel mit einer Kapazität von 300 Litern. Bis ein Bier fertig ist, vergehen ein paar Wochen. Sie sehen: Der Ausstoß im Jahr kann da gar nicht so groß werden. Wenn die Brauerei anläuft, wollen wir auch Braukurse anbieten, für Leute im Dorf oder von außerhalb.

Gibt es schon einen Namen für das Bier oder die Brauerei? Mit Blick auf das Wasserschloss im Ort würde sich irgendetwas mit Schloss-Brauerei ja anbieten...

Die hat es sogar einmal gegeben. Sie befand sich neben dem Schloss, es gibt sie aber schon lange nicht mehr. Eine weitere Brauerei gab es als Teil einer ehemaligen Gastwirtschaft: Die hatte das Braurecht und hatte auch gebraut. Das Bierbrauen ist also auch Tradition in Kunreuth gewesen. Wir haben uns erstmal "Kunreuther Vereinsbrauhaus" als Namen gegeben. Welchen das Bier bekommt, zeigt sich, wenn das Bier mal gebraut und probiert worden ist.

Die Brauerei ist im Vereinsgebäude untergebracht, das Sie gerade noch sanieren und somit vor dem Verfall gerettet haben.

Das Anwesen ist ein alter Bauernhof, der aus einer Scheune und einem kleineren und größeren Haus besteht. Vor mehreren Jahren ist die Scheune zum Verkauf angeboten worden. Im Dorf hat man sich gefragt, was man mit dem Gebäude macht. Die Gemeinde wollte es nicht kaufen, also habe ich es zusammen mit Bürgermeister Ernst Strian gekauft. Wir haben jetzt den Anfang gemacht mit dem kleinen Haus, in das die Brauerei kommt. Das Haus sanieren wir mit privaten Mitteln und stellen es dem Verein umsonst zur Verfügung. Wenn der Verein mal Geld hat, dann zahlt er vielleicht auch mal Miete. Wenn das Geld noch reicht, dann soll auch im hinteren Teil des Anwesens etwas entstehen.

Es gibt noch viele Fachwerkhäuser und viel alten Gebäudebestand, der für das typische Dorfbild steht. Haben Sie Angst, dass diese Idylle, wie in so vielen anderen Dörfern auch, irgendwann in Kunreuth verschwindet?

Den Einwohnern geht das Eigentum nahe. Sie achten darauf, dass es ordentlich ist. Schwierig wird es, wenn die Eigentümer versterben und keine Nachkommen da sind oder sie woanders wohnen. Gerade die Häuser an den Durchgangsstraßen bieten wenig Platz für Kinder und sind deshalb nicht unbedingt attraktiv für die nachfolgende Generation. Damit die Idylle erhalten bleibt, müssen der Flächenfraß mit neuen Baugebieten außerhalb gestoppt und alte Häuser wiederbelebt werden. Auch wenn das schwierig ist.

Gibt es für das restliche Brauerei-Areal schon Pläne oder Wünsche?

Wir wollen eine Nutzung, die auf dem Dorf etwas bringt. Ideen gibt es viele: Zuerst wollten wir das Brauhaus im großen Haus unterbringen, da war aber der Sanierungsaufwand zu groß. Wir haben an Co-Working-Spaces gedacht. Also an Büroräume, die sich Gründer, Start-Ups oder Freiberufler teilen und die dort zusammenarbeiten können. Wir planen außerdem kulturelle Veranstaltungen auf dem Areal.

In den Räumen oberhalb der Brauerei lassen wir gerade Büros entstehen. Der Hintergrund: Wir wollen ein niederschwelliges Betreuungsangebot für Senioren aufbauen. Mit ehrenamtlichen Kräften wollen wir zu älteren Menschen nach Hause gehen, typische Haushaltstätigkeiten ausführen, Arztfahrten organisieren, kleine Gartenarbeiten übernehmen. Auch altersgerechte Wohnungen könnten auf dem Areal entstehen, die dann direkt im Zentrum des Ortes Heimat bieten.

Nachbargemeinden haben bereits ihr Interesse angemeldet. Das wird zu einem großen Projekt.

Hetzles, Igensdorf und Effeltrich wollen sich anschließen und auf unsere Angebote auch für ihre Senioren im Ort zurückgreifen. Dafür brauchen und haben wir ab dem 1. Juni eine festangestellte Altenpflegerin, die für die Qualitätssicherung und Koordination der ehrenamtlichen Helfer zuständig ist. Die Ehrenamtlichen müssen von ausgebildeten Kräften für ihren späteren Einsatz geschult werden. Unsere Kurse sind voll, wir haben rund 40 Ehrenamtliche, die mithelfen wollen.

Sie haben sich als Verein viel vorgenommen und Sie finanzieren die Sanierung mit privaten Mitteln. Das ist außergewöhnlich. Woher kommt das Engagement?

Es liegt uns viel dran, dass sich etwas im Dorf entwickelt. Freilich hätte ich für das Geld für die Sanierung auch mit einem gebrauchten Porsche durch das Dorf fahren können, das hätte mir vielleicht mehr Bewunderung gebracht (lacht). Das Dorfzentrum soll optisch schöner und belebter werden. Dieses Jahr haben wir noch eine Fotoausstellung geplant. Bei Kunreuthern haben wir alte Fotos gesammelt und digitalisiert. Hunderte liegen auf der Festplatte und werten wir gerade aus. Wir wollen zeigen, wie das Dorfleben damals aussah.

Wann können wir auf all das mit dem ersten gebrauten Bier anstoßen?

Bis zum Sommer sollte das erste Bier gebraut sein.

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