Fränkischer Forscher: Umweltzerstörung schuld an Pandemien wie Corona

27.3.2021, 20:11 Uhr
Wenn der Mensch das natürliche Gleichgewicht in artenreichen Lebensräumen zerstört, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass gefährliche Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übertragen werden, meint der Bayreuther Professor Carl Beierkuhnlein.

© Sebastian Kahnert, dpa Wenn der Mensch das natürliche Gleichgewicht in artenreichen Lebensräumen zerstört, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass gefährliche Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übertragen werden, meint der Bayreuther Professor Carl Beierkuhnlein.

Herr Beierkuhnlein, Sie sind der Meinung, dass das Vordringen des Menschen und die dadurch verursachte Reduzierung der Artenvielfalt in bestimmten Lebensräumen dazu führt, dass gefährliche Viren wie jetzt Sars-CoV-2 auf den Menschen übertragen werden. Was hat die Artenvielfalt damit zu tun?

Carl Beierkuhnlein: Biodiversität ist wie eine Vielzahl von Versicherungen. Man muss wissen: Wenn es eine Vielzahl von Arten gibt, dann hat das auch eine Ursache. Sie haben sich alle in eine bestimmte Nische hineinentwickelt und erfüllen dort auch eine Funktion. Pflanzen und Tiere dienen als Nahrung für andere Arten – oder die Tiere fressen eben selbst andere Tiere und kontrollieren sie dadurch. Eine Vielfalt von Arten und auch eine Vielfalt von Viren führt zu einem Verdünnungseffekt und keine Art nimmt überhand.

Carl Beierkuhnlein ist seit dem Jahr 2002 Professor für Biogeografie an der Universität Bayreuth. Zuvor war der studierte Geoökologe Professor für "Landschaftsökologie und Standortkunde" an der Universität Rostock.

Carl Beierkuhnlein ist seit dem Jahr 2002 Professor für Biogeografie an der Universität Bayreuth. Zuvor war der studierte Geoökologe Professor für "Landschaftsökologie und Standortkunde" an der Universität Rostock. © Foto: privat

Das würde ja heißen, dass es dort, wo es noch eine Vielzahl von Arten gibt, die Wahrscheinlichkeit von für den Menschen gefährlichen Viren geringer wäre. Tatsächlich gibt es aber in Europa viel weniger Arten und trotzdem ist gerade hier die Gefahr viel geringer. Wie passt das zusammen?

Beierkuhnlein: Durch die Eiszeiten gibt es schon lange sehr viel weniger Arten bei uns. Europa ist besonders artenarm, das hat geografische und klimageschichtliche Gründe. Und es gibt hier schon lange ein ganz enges Zusammenspiel zwischen Menschen und Natur. In den Tropen hat sich dagegen über einen sehr langen Zeitraum, bei hohen Temperaturen und nicht unterbrochen durch Eiszeiten, eine extrem hohe Artenvielfalt entwickelt, bei der der Mensch bislang keine große Rolle gespielt hat. Dass er jetzt in diese Räume vorstößt, ist in der flächenmäßigen und massenhaften Dimension etwas sehr Neuartiges.

"Covid ist ein echtes Alarmsignal"

Und das befördert die Übertragung von Viren wie jetzt von Sars-CoV-2?

Beierkuhnlein: Ja. Es ist einfach eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Durch das Vordringen des Menschen und die Reduzierung der Biodiversität wird es wahrscheinlicher, dass man mit Pathogenen in Kontakt kommt, die auf den Menschen übertragbar sind. Sars-CoV-2 ist da jetzt ein echtes Alarmsignal, aber es wird nicht das letzte Virus bleiben. Es bleibt zu hoffen, dass wir Verhaltensweisen entwickeln, die uns vorsichtiger machen.

Was könnte man denn konkret um, um solche Übertragungen künftig unwahrscheinlicher zu machen?

Beierkuhnlein: Wir geben bei tropischen Krankheiten ja gern den Afrikanern oder den Asiaten die Schuld, weil die Krankheitserreger dort zuerst auftauchen. Verantwortlich ist aber vor allem auch der gewaltige Landverbrauch, zum Beispiel in Afrika, für unseren Ressourcenverbrauch und unsere Produkte in Europa. Wir sind wesentlich dafür verantwortlich, dass der Mensch dort vordringt und die Biodiversität abnimmt. Dazu kommt natürlich die enorme Verknüpfung der Welt durch den Flug- und Güterverkehr. Innerhalb kürzester Zeit können Pathogene und neue Mutanten überallhin transportiert werden. Da muss man nun hinterfragen, ob Reisen künftig so einfach bleiben sollte.

"Pharmaindustrie hat kein Interesse an einem Dengue-Impfstoff"

Immerhin konnte in diesem Fall sehr schnell ein Impfstoff entwickelt werden. Gegen das Dengue-Fieber oder Chikungunya gibt es noch kein wirksames Vakzin.

Beierkuhnlein: Das ärgert mich wirklich maßlos. Daran hatte die Pharmaindustrie bislang kein Interesse, weil sich in Afrika eben nicht viel Geld verdienen lässt. Dabei erkranken jedes Jahr viele Millionen Menschen daran, viele Tausend sterben. Mit dem Klimawandel und der Ansiedlung von tropischen Stechmücken könnten solche Krankheiten aber auch bei uns häufiger werden – und dann wird die Pharmaindustrie sehr schnell aktiver werden.


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Wie groß ist die Gefahr durch solche Viren?

Beierkuhnlein: Da könnten schon sehr viele Menschen sehr krank werden, auch mit schweren Verläufen. Aber man muss ehrlich sein: Das wäre keine vergleichbare Herausforderung zu Covid. Da ist die Dynamik durch die leichte Übertragung von Mensch zu Mensch schon einzigartig. Bei Dengue oder Chikungunya braucht man immer noch die Stechmücke dazwischen. Vor der kann ich mich anderseits aber auch viel schlechter schützen. Da hilft keine FFP2-Maske.

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