Aus nach fast zweieinhalb Jahren

Ein Ort der Subkultur: Das Boca in Fürth schließt

31.8.2021, 16:28 Uhr

© Hans-Joachim Winckler

Für Jens Schmidt (32), der das Lokal gemeinsam mit Marco Graeser (33) von der Kaffeebohne betrieben hat, endet die knapp zweieinhalbjährige Gastro-Zeit ohne Tränen: „Wir sehen das am Ende positiv, weil es unsere freie Entscheidung war und das Boca kultig wurde, man es als Erfolg sehen kann. Ich bin jemand, der in Projekten denkt und neue Projekte sind nur möglich, wenn etwas Altes zu Ende geht.“

Gegründet worden war das Boca im Zuge der Aktion Protestgarten, bei der Schmidt engagiert war und aus der der Verein Soziokultur hervorgegangen ist. Die Aktivisten vom Protestgarten möchten erreichen, dass junge Fürther mehr Freiräume in der Stadtgestaltung bekommen, ganz konkret aber auch, dass Räumlichkeiten für die Subkultur geschaffen werden. Das Boca wollte ein soziokultureller Treffpunkt mit bezahlbaren Preisen sein - ein Konzept, das aufging. Die alternative Musikszene konnte sich hier austoben, auch die aktive Fanszene der Spielvereinigung Greuther Fürth war präsent, gerade auch während des Lockdowns gab es hier Unterstützung.

Vor allem der hohe Aufwand sei es aber nun gewesen, der das Ende für das Boca bedeutet, wie Schmidt betont: „Ich arbeite noch zusätzlich 20 Stunden in einem sozialen Job, da bleibt irgendwann einfach keine Zeit mehr für andere Dinge. Gastro zu betreiben, ist ein unfassbarer Aufwand, da steckt viel mehr dahinter, als nur hinter der Theke zu stehen.“ Bestellungen, Planungen und der Aufbau für Konzerte, die Buchhaltung, die Beseitigung von Schäden vom wilden Abend am nächsten Morgen - vor allem diese Dinge zehrten laut Schmidt, der mit dem Boca seine ersten Schritte in der Gastro-Szene gemacht hat, an den Nerven.

Auch beim Essen, bei dem man den Ansatz „nachhaltig und frisch“ verfolgte, sei der Zeitfaktor spürbar gewesen: „Das Problem ist: je mehr man selber macht, desto mehr Arbeit ist es eben auch.“ In Sachen Speisevielfalt verliert Fürth eine besondere Adresse. Mexican Streetfood wie Tacos, Burritos oder Quesadillas, jeweils mit Kaktusfüllung, gibt es ebenso wenig wie Frozen Margaritas oder Mexikoschnaps auf Tomatenbasis an jeder Ecke.

Frustrierend war außerdem die Zeit des Lockdowns, auch wenn die Kneipe durch diese Zeit gut durchgekommen sei. „Wir fühlten uns alleingelassen. Natürlich tragen wir die starken Schutzmaßnahmen mit, aber die Kunst und die Kultur wurden hintenangestellt. Politische Entscheidungen kamen häufig zu kurzfristig oder wurden schlecht kommuniziert. Da verliert man auch das Vertrauen in die Politik.“ Und doch: Am Ende überwiegen bei dem 32-Jährigen die schönen Erinnerungen, denn das Boca war eben keine normale Kneipe, sondern ein Ort der Subkultur. „Ein solches Umfeld zu repräsentieren, hat viel Spaß gemacht. Wir hatten treue Gäste, die uns auch immer wieder tolle Rückmeldungen gegeben haben. Es herrschte eine Gemeinsamkeit bei uns, Leute kamen miteinander ins Gespräch. Das und die Live-Konzerte werde ich am meisten vermissen.“

Wer in die Räume einziehen wird, steht laut Schmidt noch nicht fest - Interessenten gebe es aber. Wie es an der Helmstraße 2 weitergeht, ist also noch offen, fest steht nur: Das bisherige Konzept wird höchstwahrscheinlich so nicht fortgeführt. Bis zum 16. Oktober hat das Boca noch geöffnet, danach wird renoviert, ab dem 1. November steht es dann leer.

Für Jens Schmidt geht es jetzt vor allem in Sachen Protestgarten weiter. Ein Infoladen sei vorstellbar, vor allem müssten nun aber endlich feste Räumlichkeiten für die Subkultur gefunden werden, um ein soziokulturelles Veranstaltungszentrum auf die Beine zu stellen. Ein Konzept hat der Verein schon 2019 vorgelegt. Momentan hofft der Verein Subkultur darauf, seine Ideen im Lokschuppen umsetzen und die Verwaltung des Kulturzentrums übernehmen zu können, das dort entstehen soll.

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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