Kanalräumer versumpfen

13.2.2012, 12:00 Uhr
Kanalräumer versumpfen

© Hans-Joachim Winckler

Warum ersparen sie einem nicht diese Auweia-Momente? Eine Stimme aus dem Off, das soll Kohl, der Oggersheimer, sein; eine sächselnde Sonnenschirm-Okkupantin unter südlicher Sonne, das soll eine Ossi ein; ein Männerballett aus vier Herren, die fast gar nichts mehr anhaben und sich komplett zum Willi machen, das soll wer-weiß-was sein. Und man ist doch tatsächlich bei den Dullnraamern; und Dullnraamer-Fasching, das soll doch, sagen sie selbst immer, Alternativ-Fasching sein, also der Tritt mit Anlauf in den Kröver Nacktarsch der Mützendeppen zwischen Rhein und Pegnitz.

Kanalräumer versumpfen

In ihren schlechtesten Momenten aber ist diese 19. Dullnraamer-Sidzung ihren Feinden ähnlicher als ihren Machern lieb ist. Nur, dass sich im Feindesland mancher Narr mindestens zweimal überlegt, ob er tatsächlich noch mal den ollen Kohl geben soll. In Fürth gibt’s auch noch Brandt dazu, Willy Brandt.


Es ist 2012, und doch schauen die Fürther Kabarett-Revoluzzer in einigen Momenten dieses ellenlangen Abends verdammt alt aus. Wieder gibt es eine „Star Wars“-Episode der speziellen Art mit Merkel als todesnah röchelnder „Darth Mother“, was nicht der übelste Einfall ist. Aber „Star Wars“ als Bilderchiffre für munteres Koalitions-Bashing ist inzwischen so relevant und modern wie Werbung für löslichen Kaffee.

Das also soll jene Art Fasching sein, die Veitshöchheim erblassen lässt? Apropos Werbung: Die über zwei Video-Wände im sehr gut gefüllten Kulturforum eingeblendeten „Werbe“-Spots sind wieder mal glänzend geraten, denn das Format verlangt Kürze, Knackigkeit, punktgenauen Bild-Witz. Ein Parfüm namens „Del Saar — Eau de Lafontaine“ zu preisen — schön. Ansonsten sind Kürze und Knackigkeit nicht eben die Stärke des Ensembles, das hinter dem Leit-Paar Ute und Uwe Weiherer allzu oft lediglich zappeln und hampeln, sich verhaspeln und sich verkleiden darf. Übergänge, Umbauten, Überleitungen stechen immer wieder Löcher in die Dramaturgie eines Abends, an dem sich die Kanalräumer an allem abarbeiten, was ihnen unheilig ist. Die FDP, das „Freie Deppen Patriarchat“, mutiert im Kufo zum blau geschminkten Häuflein der „Schrümpfe-Schlümpfe“, die Linke zum „Club Havanna“-ballernden Chaos-Verein, die SPD zum Fähnchen im Wind.



Zur Loriot-Hommage gerät die „400-Fragen-Show“ mit Uwe Weiherer alias Christian Wulff alias Erwin Lindemann. Das Publikum lacht Tränen, wenn Weiherer-Wulff immer wieder sein Sprüchlein aufsagt und irgendwann („Ich heiße Bettina Glaeseker und im Herbst eröffnet meine Frau ein Tattoo-Studio“) völlig im Wald steht. Neben Stephan Hausners glänzend gespieltem, treffsicher religionskritischen Solo als Telefonist der „Himmlische-Familie-Notruf-Zentrale“ ist dies ein Höhepunkt des Abends, der aber auch für Freunde von Tiefpunkten einiges bereithält.

Damit Ute Weiherers komplexe Songtexte verständlich bleiben, dimmt die Tonregie die bedauernswerte Band nahezu unentwegt auf Hintergrundgeschrammel-Pegel herunter; nicht nur ärgerlich aber, sondern holzhammerhaft bedenklich ist die Idee, die Riege verblichener Innenminister den Hitlergruß zumindest andeuten zu lassen und deren Blindheit auf dem rechten Auge („Da war nie ein Auge“) auf die „natürliche Mutation des 33er Bazillus“ zurückzuführen. Doch die Dullnraamer wären nicht die Dullnraamer, lägen in ihrem Sortiment nur Grobheiten jenseits der Schmerzgrenze. Die choreografisch hochoriginelle Fürth-Nürnberger Liebesgeschichte, die sehr viel Applaus erntet, und die einfallsreiche Auflockerungsübung zu Peter Alexanders „Kleiner Kneipe“ stehen für die warmherzigen, die einfach nur schönen, lustigen, unverkrampften Momente dieser Sidzung.

Bei all dem bleibt die Rätselfrage, warum ein Ensemble, das sich nicht als irgendwer, sondern als Fürther Kabarett-Speerspitze definiert, die lokalen kabarettistischen Steilvorlagen schlicht und einfach nicht verwandeln mag. Ein bestenfalls nettes Liebeslied, das in Fürth spielt und in dem Solist Michael Bliemel vergeblich nach tonalem Einverständnis mit der Band sucht, ein winziger Schlenker zur Gustavstraße — mehr ist nicht. Die Kurzsichtig-, vielleicht aber auch Angriffs-Lustlosigkeit der Kanalräumer werden alle Einkaufscenter-Strategen anno 2012 mit Erleichterung registrieren.

Die nächsten Sidzungen sind am 17./18. Februar, jeweils 20 Uhr, Kulturforum (Würzburger Straße 2). FN-Abonennten mit ZAC-Karte erhalten im Vorverkauf (FN-Ticket-Point, Rudolf-Breitscheid-Straße 19) 20 Prozent Rabatt.



 

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