Kofferfabrik: Lust am Experiment

10.8.2015, 06:00 Uhr
Kofferfabrik: Lust am Experiment

© Fotos: Peter Romir

Kofferfabrik: Lust am Experiment

„Drei Dinge braucht die Koffer: Wahnsinn, Farbe und Gaffer“, reimt der Koffer-Chef und meint mit letzterem das Gewebeklebeband des Herstellers Gaffer. Hier fällt Putz ab, dort ist was zu schrauben . . . Die „Koffer“ ist zwar keine Ruine, aber es gibt immer etwas zu tun. Udo Martin kümmert sich um die Organisation und das Booking, aber ohne seine 20 Mitarbeiter, vor allem ohne die Techniker, wäre er nach eigenen Worten „verraten und verkauft.“

Gerade tut sich wieder eine Baustelle auf: Der Music-Club wird renoviert, ein Zuschuss von der Stadt macht es möglich. Martin und seine Helfer rücken die Bühne von rechts nach links hinüber. „Sie stand am falschen Platz, gegenüber der Theke“, ärgert sich der Koffer-Chef, „bei vollen Konzerten konnten die Leute hinten kaum um die Theken-Ecke gucken. Da tritt ein Brian Auger auf, und die Leute sagen: Superkonzert, aber wie schaut der Typ eigentlich aus?“ Bei der neuen Raumaufteilung habe jeder freien Blick auf die Bühne, die von 30 auf 60 Zentimeter erhöht wird. Obendrein soll ein neues Boxensystem das Klangerlebnis verbessern.

Auftakt mit B.B.Kingg-Projekt

Davon wird man sich bei der Eröffnung am 18. September überzeugen können. „Da wird – nein, da muss dann alles fertig sein“, beteuert Udo Martin. Es ist dann nämlich das renommierte B. B. King-Projekt zu Gast. Zu den Höhepunkten der neuen Konzertsaison gehören der Veteran an der Rock-Orgel, Brian Auger (4. Oktober), der Ex-Bap-Gitarrist Major Heuser (22. Oktober) sowie das Rory Gallagher-Weekend Ende November.

Aus ganz Europa, von Italien bis Norwegen und Irland, treffen sich Tributbands, um dem irischen Ausnahmegitarristen ihre Reverenz zu erweisen. Für Udo Martin auch eine persönliche Huldigung: „Die Rory-Szene ist ein ganz verschworener Haufen, die kennen und verstehen sich blendend. Mein allererstes Rockkonzert mit 14 Jahren war ein Auftritt von Rory in Nürnberg, der spielte da in den alten Messehallen.“

Und noch ein Gast: Peter Horton (7. Dezember). Bitte wer? Der Peter Horton, der vom Opernhaus über den Eurovision Song Contest bis zu Placido Domingo und Sigi Schwab nichts ausgelassen hat? Martin lächelt weise: „Immer, wenn man mich in eine bestimmte Schublade stecken möchte, biete ich den Leuten etwas anderes.“

Und in welche Schublade passt denn nun die Kofferfabrik? Udo Martin überlegt nicht lange. „Fürth bietet mit der Kofferfabrik ein Alleinstellungsmerkmal, wie man das im Business-Deutsch sagt. Dabei war uns das lange Zeit selbst nicht bewusst. Die Gruppen von außerhalb staunen Bauklötze, sind total begeistert. Da heißt es: Wow, wie geil ist das denn!“

Brian Auger habe gar von einer Zeitmaschine gesprochen. Alle hätten sich in die 70er Jahre zurückversetzt gesehen, und dann komme das alte Feeling wieder hoch. Offenbar gebe es weit und breit nichts Vergleichbares. Martin: „Wir dachten in aller fränkischen Bescheidenheit: Hmm, ja, die Koffer . . . basst scho! Erst die Künstler haben uns die Augen geöffnet, was für eine Perle wir haben. Unser Publikum weiß das ebenfalls zu schätzen. Und wir sind da gar nicht speziell. Ich will sie alle, außer der braunen Brut. Wir haben hier den 16-Jährigen und den 70-Jährigen, den Punk und den Schlipsträger, und keiner guckt den anderen schief an. Bei uns geht alles ganz friedlich zu.“

Spannende Mischung

Kann es so bleiben? Die letzte Saison sei wirklich gut gewesen, bilanziert der Koffer-Chef. Da habe es ausverkaufte Konzerte gegeben wie auch Auftritte vor zehn Zuhörern, „aber unterm Strich trägt es sich“. Die Besucher würden anerkennen, dass die Koffer auch unbekannten Künstlern Raum gibt. Das Gespann aus alten Schlachtrössern und hoffnungsvollen Talenten zieht. Martin setzt dabei lieber aufs Experiment statt auf Nummer Sicher: „Im Grunde arbeiten wir hier auf gepackten Koffern. Alle zwei Jahre sickert ein Gerücht durch, die Gebäude würden verkauft oder abgerissen – und dann war’s das wieder. Man gewöhnt sich daran.“

Wenn man die Gebäude in einen Verein oder in eine Genossenschaft überführen könnte, das wäre ein Traum. Und die Zukunft, das nahende Rentenalter? Udo Martin hat sein Vorbild: Brian Auger. Der Mann ist Mitte 70 und zündet immer noch die Hütte an, der zerlegt den Saal, aber auf eine ganz charmante Art und Weise. Und nach dem Konzert liegt er nicht etwa im Sauerstoffzelt, sondern zieht sich um, trinkt ein Bier und unterhält sich ganz normal mit den Leuten. „Da muss man keine Angst vor dem Alter haben", meint der Koffer-Chef

Noch ist der Music-Club eine Baustelle. Wo sind sie hin, die Plakate, das Glutrot der Wände, die Echos zahlloser Konzerte? „Keine Sorge, das schaut hinterher genauso aus wie vorher, mit der Patina der Jahrzehnte“, beruhigt Udo Martin. „Versprochen! Sonst werden mich die Stammgäste ja teeren und federn.“

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