Sahnegrundstück wird Biker-Refugium

9.4.2004, 00:00 Uhr
Sahnegrundstück wird Biker-Refugium

© Horst Linke

Auch fast ein Jahr danach ist der Zorn von Martin Bosert noch nicht ganz verflogen. Wenn der 21-Jährige auf die Vertreibung aus dem Biker-Paradies angesprochen wird, sprudelt es aus dem Leiter der frisch gegründeten Mountain-Bike-Abteilung des Radsportclubs Fürth (RSC) nur so heraus, als müsste er vieles erklären, was damals niemand hatte hören wollte. Dass sie den ehemaligen Steinbruch an der Zirndorfer Alten Veste verlassen mussten, weil sie mit ihren Rädern Natur zerstört haben sollen, aber wenig später an gleicher Stelle Bäume gefällt wurden — Bosert mag das bis heute nicht einleuchten.

Nachdem die Jugendlichen ihre Schanzen und Hindernisse notgedrungen abgebaut hatten (die FN berichteten mehrmals), begaben sie sich sofort auf die Suche nach einem neuen Trainingsgelände. Eine schwierige Suche, die erst kürzlich ein Ende fand.

Seit ein paar Tagen treffen sich die jungen Biker täglich in Hörweite der Autobahn auf dem von haushohem Wildwuchs gesäumten Gelände zwischen Poppenreuther Straße und „Am Kavierlein“. Wenn sie hier mit Pickel, Schaufel und Säge zu Werke gehen, um von den erhöhten Rändern eine möglichst spektakuläre MTB-Strecke hinabstürzen zu lassen, um abenteuerliche Konstruktionen aufzutürmen, an denen sie ihren Mut und ihre Geschicklichkeit erproben können, ruft das keinen Naturschützer auf den Plan. Irgendwann soll die von zwei Straßen durchtrennte Brache sowieso bebaut werden. Irgendwann.

Im Zusammenhang mit dem Kavierlein wurden schon viele Pläne geschmiedet — und verworfen. Bis vor einem Vierteljahrhundert war die vormalige Müllkippe ein Schrebergärtner-Paradies. Dann mussten die Zucchini-Züchter und Veilchen-Freunde weichen, weil sich die Stadtoberen ausgerechnet dort ein Fürther Thermalbad erträumten. Seit das Heilwasser — wenn überhaupt — definitiv andernorts sprudeln soll und sich auch die Ansiedlung eines gigantischen Multiplex-Kinos als Schimäre erwies, ist wieder von einer eher konventionellen Bebauung die Rede. Die Frage ist, welche? Bis sich der eigentliche Eigentümer, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), und die Stadt geeinigt haben, dürfen auf einem 10 000 Quadratmeter großen Teilstück der knapp vier Mal so großen Gesamtfläche die Mountain-Biker des RSC ihrem Sport frönen. Der Verein hat es gepachtet, für 2000 Euro pro Jahr. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate.

In den Jahren der geplatzten Architekten-Träume ist der grün-braune Flecken im Stadtnorden zu einer Mischung aus Dschungel und Deponie verkommen. In der Senke in der Mitte haben die Jugendlichen einen Müllhaufen zusammengetragen. Ein kaputtes Fahrrad, rostige Stahlfedern, ein leerer Bierkasten und sogar ein abgebrochener Hydrant wurden „Am Kavierlein“ entsorgt. Weiter oben, gleich neben dem Zaun, laden vermutlich Anwohner seit langem alles an Grüngut ab, was sie in ihren Gärten abgeschnitten und gemäht haben.

Als zu Beginn der Osterferien die Biker anrückten, um gewissermaßen aufzuräumen, dauerte es nicht lange, bis die Polizei auftauchte. Aber im Gegensatz zu damals an der Alten Veste hatten die Jugendlichen diesmal einen Pachtvertrag in der Tasche und waren organisiert. RSC-Vorsitzender Bernd Hilpert ist auch mächtig stolz auf seinen Nachwuchs: „Respekt, was die schon geleistet haben.“

Dabei wäre die neue Nutzung des Kavierleins als Refugium für Mountain-Biker fast an einem Missverständniss gescheitert. Als bereits mehrere andere Örtlichkeiten, zum Beispiel in Zirndorf und Burgfarrnbach, verworfen waren, stellte Petra Guttenberger (CSU) im Grundstücks- und Wirtschaftsausschuss der Stadt eine Anfrage in Sachen Kavierlein. Wirtschaftsreferent Horst Müller trug das Anliegen der LBBW vor, die das „null interessierte“ (Müller). Entsprechend fiel wiederum die Auskunft Guttenbergers an die Biker aus. Doch RSC-Chef Hilpert gab keine Ruhe und wandte sich an die Regio Park GmbH & Co. Kavierlein KG, die als eine Art Verwalter des Grundstücks fungiert. Das Ergebnis ist bekannt.

Etwa 20 Hindernisse

Bis zum Ende der Ferien wollen Martin Bosert und seine Freunde täglich an ihrem neuen Biker-Parcours bauen. Etwa 20 Hindernisse sollen entstehen und laufend modifiziert werden. „Fertig wird das nie“, sagt Bosert. Die Chancen, dass die jungen RSCler „Am Kavierlein“ geraume Zeit ihre voluminösen Federgabeln testen können, stehen gar nicht schlecht. Der Wirtschaftsreferent telefoniert zwar „alle halbe Jahre mal“ mit dem Grundstückseigentümer und erkundigt sich nach Investoren, aber das tut er ja schon ziemlich lange. Wenn Angebote eingehen, dann vom Einzelhandel. Doch das, so Müller, will die Stadt auf keinen Fall. „Bevor etwas kommt, was uns nicht passt, ist es besser, es bleibt so, wie es ist.“