200 Jahre altes Kochbuch erlebt eine Neuauflage

19.11.2013, 22:18 Uhr
200 Jahre altes Kochbuch erlebt eine Neuauflage

© Hans-Joachim Winckler

Tommy Schäfer lässt einen Klumpen Hefeteig auf die Arbeitsplatte seiner Restaurantküche in Ronhof fallen. Mit einem Messer trennt der Koch das Ungetüm in vier noch immer recht mächtige Teile. Er knetet sie gut durch, bestreicht die Kugeln mit Eigelb, lässt dann großzügig Salz, Speck, Kümmel und Rosmarin niederrieseln — so ähnlich müssen es Frauen um 1800 gemacht haben.

Denn die Anleitung für den Speckkuchen stammt aus einem Sammelsurium von Koch- und Backrezepten, gefunden 2008 im Fürther Stadtarchiv. Schon der Einband des dicken Buches sah für die Mitarbeiter des Archivs vielversprechend aus: mittelalterliches Pergament und ein Buchrücken aus dem Fragment eines gregorianischen Choralbuchs.

Als Ruth Kollinger, Museumspädagogin im Stadtmuseum und begeisterte Hobbyköchin, von dem Fund erfuhr, war sie sofort hin und weg. Also machte sie es sich zur Aufgabe, das Konvolut zu entziffern und zu ordnen. „Ich habe sieben unterschiedliche Handschriften gezählt“, sagt Kollinger und deutet auf für Laien völlig unlesbare Zeilen. Die Schriftart sei ein Hinweis darauf gewesen, dass das Buch etwa 200 Jahre alt sein müsse. Außerdem deute die Auswahl der Speisen — fast ausschließlich Fleischgerichte — auf eine gehobene Gesellschaftsschicht hin. „Damals trafen sich die feinen Damen, um Rezepte auszutauschen“, erklärt sie. Vermutlich habe es sich anfangs nur um lose Niederschriften oder kleine Heftchen gehandelt, die später erst zu einem Buch gebunden wurden.

330 Koch- und Backanleitungen stehen in dem alten Wälzer und werden auch in dem neuen zu finden sein. Doch kaum eine „ist etwas für Vegetarier oder Kalorienzähler“: Gugelhupf, Boeuf à la mode, gesülzter Ochsenfuß... Kommen solche Rezepte in der heutigen Zeit an? „Die Neuauflage des Buches ist etwas für historisch Interessierte und für Leute, die gerne außergewöhnlich kochen.“

Heute ohne Kalbsohren

Die Museumspädagogin will aber auch Hobbygourmets entgegenkommen: Mit Freundinnen kochte sie 16 ausgewählte Rezepte nach und schrieb sie in die Jetztzeit um. „Bei den Originalen stehen ganz oft keine Mengenangaben dabei, Temperaturen sowieso nie“, sagt Kollinger. Um den Lesern noch mehr Informationen zu bieten, ergänzte sie die überarbeiteten Rezepte um Begriffserklärungen und wissenschaftliche Hintergründen.

Weitere fünf Gerichtideen suchte sich nun Koch Tommy Schäfer aus, um sie kreativ umzuwandeln und bei einem Pressetermin zu präsentieren. Ein deftiges Tauben-Ragout hat es ihm besonders angetan. Dem Originalrezept zufolge kommen auch Kalbsohren hinzu – die habe er aber weggelassen, schließlich „braucht man sie nicht, damit es schmeckt“. Stattdessen wanderte Gänseleber in die Pfanne. Fotograf Jürgen Klaus setzte das Menü optisch für das Kochbuch in Szene.

Als Schäfer den Speckkuchen aus dem Ofen holt, beginnt das Blitzlichtgewitter der Fotografen. Etwas zögerlich greifen die Medienvertreter nach den dampfenden Klumpen. Nachdem die Ersten ihren Bissen heruntergeschluckt haben, breitet sich auf den Gesichtern ein zufriedenes Lächeln aus. Den zweiten Bissen schieben sie rasch hinterher. „Köstlich“, heißt es aus vollen Mündern.

Buchpräsentation und Schaukochen mit Tommy Schäfer am 15. Mai im Stadtmuseum Fürth. Karten sind ab sofort dort erhältlich.

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