Allerhöchster Glamourfaktor

29.5.2010, 00:00 Uhr
Allerhöchster  Glamourfaktor

© Günter Distler

Können Sie uns erklären, warum Schwule den ESC anziehender finden als, sagen wir, das Neujahrskonzert?

Lang: Weil er alles hat, Glamour, Lebensfreude, tiefe Emotionen. Das Ganze hat auch etwas Absurdes und Künstliches, also eigentlich genau das, was man auch über Schwule sagen könnte. Wenn es dann noch glitzert und glimmert und künstlich lachende Menschen auftreten - na, dann sind wir doch glücklich. Ich bin jedenfalls ein großer ESC-Fan. Das ist alles so schrill und schräg. Mit gutem Geschmack hat das gar nichts zu tun, es ist einfach nur komisch.

Homosexuelle und Schlager – ein unzertrennliches Paar?

Lang: Ja, ganz klar, die sind irgendwie eins. Fast alle Schlagermenschen müssen homosexuell sein.

Kein Klischee?

Lang: Kein Klischee.

Aber kennen Sie nicht auch Schwule, die mit dem Song Contest überhaupt nichts anfangen können?

Lang: Die gibt es natürlich, klar. Der Trend geht in der Szene derzeit mehr in Richtung Unauffälligkeit, der Look wird auch wieder mehr hetero, was ich sehr schade finde. Aber am Musikgeschmack erkennt man sie dann doch. Klar gibt es Leute, die erst nicht mitgucken wollen, aber dann doch vergnügt quietschen.

Es gibt ja nun auch reichlich heterosexuelle ESC-Fans. Warum sind sie eigentlich in der gefühlten Minderheit?

Lang: Weil bei ihnen der Glamourfaktor nicht so etabliert ist. Bei den Frauen noch eher als bei den Männern. Die Hetero-Männer aber möchten sich immer gern etwas cooler geben, drum distanzieren sie sich vom ESC. Zugleich geht aber der Trend Richtung Metrosexualität, deshalb schauen sie dann oft doch zu - und sei es nur den Frauen zuliebe oder um sich ironisch zu distanzieren von dem, was sie da sehen.

Eine Lesbe oder ein Schwuler als Sieger, freut Sie das auch dann, wenn der Song nichts taugt?

Lang: Ja, ich freue mich, weil da bei mir immer auch ein bisschen Familiensinn im Spiel ist. Aber natürlich ist nicht alles, was aus schwuler Hand kommt, schön und gut. Man muss das alles mit viel, viel Selbstironie sehen. Und die schrillen Beiträge find’ ich einfach lustig.

Was waren die tollsten ESC-Songs der vergangenen Jahre?

Lang: Ganz grandios war 2007 Verka Serduchka aus der Ukraine (»Dancing Lasha Tumbai«), schriller geht’s nicht. Auch Stefan Raab (»Wadde hadde dudde da?«) war 2000 sehr ironisch und so richtig schwul-diskomäßig. Und ich hab’ eine Schwäche für Folkloristisches. Wobei der Gewinner 2009 (Norwegen, Alexander Rybak, »Fairytale«) zu schön, zu großäugig, zu Walt-Disney-mäßig war. Aber das Lied war toll.

Und welche Chancen hat Lena?

Lang: Den Titel muss man ein paar Mal hören, um ihn mitzuträllern. Das könnte ein Nachteil sein. Die Stimme find’ ich schick, dieses komische Englisch lustig. Lena wird unterhalb der Mitte landen. Nicht, weil der Song nicht schön ist, sondern weil es auch ein Wettbewerb um die tollste Show ist. Und da sehe ich sie nicht vorne.Interview: MATTHIAS BOLL