Auf dem Unterasbacher Hölzleshof steht der Tiger im Stall

13.4.2013, 09:00 Uhr
Auf dem Unterasbacher Hölzleshof steht der Tiger im Stall

© Ehm

Nein, eingebildet wie ein Tiger stolziert Luis nicht vor der Kamera herum. Ein wenig Starallüren, so könnte man meinen, hat das drei Monate alte Kälbchen aber schon. Im Stall auf dem Unterasbacher Hölzleshof ist es warm, aber fürs Foto zu dunkel, also raus ins Freie. Luis zeigt freilich wenig Neigung, die gemütliche Box mit den Spielkameraden zu verlassen. „Komm Kleiner“, schmeichelt Horst Prachar. Seinem Lockruf verleiht der Landwirt mit einem Ziehen am Strick ein wenig Nachdruck, von hinten schiebt Natalie Scheuer den etwas unwilligen Kandidaten.

Kaum draußen, gibt es dann kein Halten mehr. Wie ein Ziegenbock springt Luis herum, keilt nach hinten aus wie ein Pferd und ist erst zu beruhigen, als Horst Prachar ihn mit der „Flasche“ lockt, einem Eimer, an dem unten an der Seite ein großer Sauger befestigt ist. Den Bewegungsdrang erklärt Prachar mit dem langen Aufenthalt im Stall, bisher sei es zu kalt gewesen, um den Nachwuchs ins

Freie zu lassen. „Na, wie das wohl am Wochenende wird?“, fragt sich Prachar beim Gedanken an den Auftritt in Anwanden und dem Blick auf den wild umhertollenden Luis.

Dass dieses Kalb etwas Besonderes ist, erschließt sich nur Experten wie Horst Prachar: An den schwarzen, harten Klauen etwa, ein Merkmal, das den Triesdorfer Tiger als robustes Arbeitstier auszeichnet. Und natürlich an der Musterung: Braune Einsprengsel verteilen sich über das gesamte Fell, an Hals und Kopf dominiert der Farbton. Dazu kommen, bei Luis noch nicht zu sehen, die nach oben gebogenen Hörner mit den schwarzen Spitzen. Woher der Name rührt? Von der Scheckung des Fells. „Damals“, vermutet Horst Prachar, „haben sich die Leute die Musterung eines Tigers eben so vorgestellt.“

Damals, das meint die Jahre ab 1740. Der Ansbacher Markgraf Carl Friedrich Wilhelm ließ zunächst sechs schwarzweiße Hollandrinder für die Hofhaltung seiner Residenz nach Triesdorf bringen. Später folgten schwarzbunte Höhenrinder, die sogenannten Berner Schecken aus der Schweiz, die allesamt mit dem bis dahin vorherrschenden braunen und roten Landvieh im Fränkischen gekreuzt wurden. Ziel war es, dadurch nicht nur robuste Arbeitstiere zu bekommen, sondern auch die Milch- und Fleischversorgung der Bevölkerung zu verbessern. Anforderungen, die der „Triesdorfer Tiger“ erfüllte. Die größten Bestände in Bayern gab es in der Zeit zwischen 1860 und 1880. Seuchen, strengere Zuchtgesetze und die einsetzende Industrialisierung, die Rind, aber auch Pferd, als Arbeitskraft in der Landwirtschaft verdrängten, machten dem Tiger schließlich weitgehend den Garaus.

GEH-Mitglied Prachar, der in Oberasbach nicht nur seinen Pferdehof, sondern auch Viehwirtschaft betreibt, beschäftigt sich seit 40 Jahren mit der besonderen Rasse. 1972 kam der Dorfmetzger mit einem schön gezeichneten Kalb auf den Hölzleshof. Er bringe es nicht übers Herz, das wunderbare Tierchen zu schlachten, ob denn die Prachars es nicht aufziehen wollten. Dennoch entrann das Kalb nur knapp seinem Schicksal. Weil es keine Milch trinken wollte, gab es die Familie dem Metzger zurück. Der Fleischbeschauer verweigerte aber die „Versicherung“, die Freigabe zur Schlachtung. Er vermutete eine Krankheit, da das Tier die ganze Zeit am Boden lag und nicht aufstehen wollte.

So kam das Kalb erneut auf den Hölzleshof, und im Gespräch mit dem Metzger fand sich dann auch die Lösung des Rätsels. Der Vorbesitzer, ein Landwirt aus der Nähe von Rohr, hatte die Jungrinder Milch von den Muttertieren trinken lassen. „Sissi“, wie das Kalb inzwischen hieß, bekam einen Eimer mit Saugzitze und das Problem war gelöst.

Durch etliche Bücher hat sich Horst Prachar gekämpft, Kollegen aus dem „Verein zur Erhaltung des Ansbacher Triesdorfer Rindes“, aber auch Tierärzte befragt. Viel ausprobiert hat der Oberasbacher bei der Zucht. Doch unter Sissis rund 90 Nachfahren fand sich nach seinen Angaben keines, das den historischen Vorbildern so glich wie der im Januar geborene Luis.

Gemeinsam mit einem Veterinär wird Prachar eine Studie über seine Bemühungen verfassen. Am Wochenende wollen Experten den Jungspund auf dem Wolfgangshof unter die Lupe nehmen. Wenn der Tiger mitspielt...

FrühjahrsLust, Markt für Garten, Freiräume und Kleintiere mit über 140 Ausstellern auf dem Wolfgangshof bei Anwanden. Samstag, 13., und Sonntag, 14. April, 10 bis 18 Uhr. Eintritt: 5 Euro ermäßigt 3,50, Kinder bis 14 Jahre frei. Kostenlose Parkplätze. Weitere Infos unter www.gruenelust.de

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