Ausflug in neue Klangregionen

29.11.2011, 10:34 Uhr
Ausflug in neue Klangregionen

© Thomas Scherer

Unter den vollen Segeln des vom Ideensturm hiesiger Komponisten angetriebenen Orchesters nahm das Kirchenschiff im Fürther Stadtpark am Sonntagabend gewaltig Fahrt auf. Was der Nürnberger Volker Felgenhauer und der Fürther Uwe Strübing mit ihren neuen Werken entfesseln, fasziniert das Ohr ohne Umwege über die Gehirnwindungen. Unmittelbar spricht diese Musik an.

Subtil lockt Felgenhauers Diptychon op. 40 den Hörer mit einem Pulsschlag im tiefen Register des Klangapparats ins Geschehen hinein. Neue Klangwelten erwarten ihn, in denen das Klavier (Sirka Schwartz-Uppendieck) eine maßgebliche Rolle spielt. Mal verbindet es sich mit den Flageolett-Tönen der Streicher, mal mit dem Xylophon (Axel Dinkelmeyer). Der 46-jährige Komponist aus Nürnberg träumt abgehoben von Zeit und Raum in Tönen.

Doch raffiniert übergangslos lässt er die Meditation in einen dionysischen Tanz, den Dithytrambus münden. Und der wiederum bricht nach einem finalen Energieschub aus dem Klavier so unvermittelt ab, dass dem Publikum die Luft wegbleibt, bevor es in Jubel ausbricht. Ein grandioses Vexierspiel.

Im Reich der Kobolde

Nicht weniger phantastisch: das Concerto grosso „Les esprits follets“ von Uwe Strübing (Musik) und Michael Herrschel (Text). Dem von Ingeborg Schilffahrt spannend und bestimmt geleiteten Orchester treten die Sänger Markus Simon (Bariton) und Monika Teepe (Sopran) gegenüber. Abwechselnd mit Instrumentalsätzen skizzieren sie Szenen aus dem Reich der Nymphen und Kobolde. Das geht so fix, dass der Hörer ohne den Text in den Händen kaum noch hinterherkommt.

Mit einem dramatischen Duett geht es im Gewitter hinaus ins Abenteuer. Das beseelt agierende Orchester greift den Impuls auf und hebt im wechselseitigen Ansporn ab. Zauberhaft entrückte Klangspiele werden kontrastiert von pastoralen Melodielinien. Dabei mangelt es wiederum nicht an Raffinesse. Aufhorchen lässt vor allem die Orgel (Schwartz-Uppendieck), wenn sie durchtrieben ins Orchester fährt und etwa mit dem Saxophon zusammen schwelgt.

Der dramatische Akzent wird auch durch die im jeden Satz unterschiedliche Aufstellung der Gesangssolisten unterstrichen. Dem Text verleihen Teepe und Simon große Spannungsbögen. Am Ende singen Teepe und Simon mit dem Rücken zum Publikum, bevor sie sich Richtung Ausgang aus dem Staub machen. Die Musik bleibt trotz des phantastischen Sujets immer geerdet und plakativ. Das Scherzo lässt Affinität zum Jazz erkennen und die abschließende Fuge greift die letzten Gedanken der Sänger auf, die vermeinen einen Schlusschoral zu vernehmen. Tatsächlich zitiert Strübing ansatzweise „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ (EG 326).

Effektvoll explosiv setzt der Komponist den Schlusspunkt hinter die phantastische Reise durch Neuland. Die „Reisefieber“ überschriebenen 48. Fürther Kirchenmusiktage hätten nicht wirkungsvoller ausklingen können. Farbiges Licht im Chorraum unterstreicht die außergewöhnliche Stimmung.

Zum Auftakt des grandiosen Finales interpretierte Regionalkantor Andreas König Francis Poulencs Orgelkonzert in überlegener Manier. Die Rollen von Soloinstrument und Orchester geraten ins Wanken. Denn die Orgel spielt das Ensemble glatt an die Wand. Dabei werden die Register wie bei der Werbeveranstaltung eines Instrumentenbauers ausgereizt, Cluster mit schlichter Harmonik kontrastiert. Die Symmetrie zwischen toccata-artigem Anfang und Ende bleibt streng. Ebenso wie die Dirigentin, die ihre Musiker mit großer Übersicht sicher auch durch das größte Chaos bringt. Stürmischer Applaus.

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