Bagger, bitte zum Röntgen! Größter Tomograph der Welt in Fürth

12.7.2013, 09:31 Uhr
Bagger, bitte zum Röntgen! Größter Tomograph der Welt in Fürth

© Thomas Scherer

Zuerst haben sie einen Feuerlöscher geröntgt. Dann das Fahrrad eines Kollegen und das Motorrad eines anderen. Doch die Physiker wollten mehr. Also liefen sie hinaus auf die Baustelle — holten einen Bagger herein und röntgten den. Sein Bild hängt jetzt als Werbeplakat unter der Decke der Testhalle.

Inzwischen sind die Bagger weg und der Neubau des Entwicklungszentrums Röntgentechnik (EZRT) in Fürth-Atzenhof ist fertig. In der Halle, in der künftig Autofelgen und Rotorblätter durchleuchtet werden sollen, gab es am Donnerstag Spanferkel mit Klößen und Erdbeeren mit Sahne für die Gäste der Eröffnungsfeier.

Der weltgrößte Computertomograph

„Was hier entstanden ist, ist wirklich beeindruckend“, lobte Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP). „Das Fraunhofer EZRT ist ein verlässlicher Innovationspartner für die bayerische Auto-, Luft- und Raumfahrtindustrie.“ Schon seit 2010 können die Forscher in der 400 Quadratmeter großen Testhalle mit der größten Computertomographie-Anlage der Welt ganze Schiffscontainer und Autos röntgen. Auch der Bagger stand auf einem Drehteller mit drei Metern Durchmesser und wurde von eine Hochenergie-Röntgenapparat Schicht für Schicht durchleuchtet.

Die Betreiber internationaler Häfen wollen mit dieser Methode Sprengstoff oder anderen unerlaubte Gegenstände in Frachtcontainern aufspüren, ohne sie entladen zu müssen. In der Autoindustrie macht die Röntgentechnik beispielsweise Risse in Bauteilen sichtbar, die nur schwer zugänglich im Motorraum verbaut sind. „Wir machen Unsichtbares sichtbar“, sagte EZRT-Leiter Randolf Hanke.

20 Millionen Euro kostete der Neubau inklusive Ausstattung für 220 Wissenschaftler.

20 Millionen Euro kostete der Neubau inklusive Ausstattung für 220 Wissenschaftler.

Neben der Halle entstanden in den letzten drei Jahren auf 5000 Quadratmetern Labors, Werkstätten, Büros und Seminarräume. Auch ein Hörsaal und eine Kantine gehören dazu. Der Freistaat Bayern, Europäische Union und die Fraunhofer Gesellschaft haben für den Neubau 20 Millionen Euro gezahlt. „Danke an die Mp3-Kollegen, mit deren Geldern wir den XXL-Computertomographen hier ermöglicht haben“, schickte Hanke auch Grüße ans Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. 75 Prozent des Jahresbudgets von 11,5 Millionen Euro müssen die Forscher durch Kooperationen mit der Industrie aufbringen.

„Wenn man seine Arbeit so gut macht wie Sie, bekommt man eben immer mehr Arbeit – aber auch so einen schicken Neubau“, sagte Heubisch. Die Aluminiumplatten der Außenfassade leuchten je nach Lichteinfall dunkelblau, gold oder silberfarben. Heubisch überreichte Hanke bei der Einweihung einen Stein. Den eingearbeiteten Schlüssel darin könne der Röntgentechniker schließlich selbst sichtbar machen.

Als Wilhelm Conrad Röntgen 1895 in Würzburg die unsichtbaren Strahlen entdeckte, hätte er noch nicht ahnen können, wie sie die Wissenschaft revolutionierten, sagte der Vorstand der Fraunhofer Gesellschaft, Alfred Gossner. „Die Anwendungsmöglichkeiten sind noch immer nicht erschöpft.“ Auch Heubisch war der Meinung: „Wer die Zukunft sehen will, muss nach Fürth kommen.“ Der Wirtschaftsreferent der Stadt, Horst Müller, geht davon aus, dass die Ansiedlung der Röntgentechniker sogar der „Urknall in der Entwicklung Fürths zur Wissenschaftsstadt“ war. „Niemand wollte in das leerstehende Grundig-Areal ziehen – Randolf Hanke hat daran geglaubt.“



1998 gründete er das EZRT mit zehn Mitarbeitern, seit 2000 sitzt es in der Fürther Uferstadt. In den kommenden Wochen ziehen die inzwischen rund 170 Mitarbeiter nach Atzenhof um – auf den ehemaligen Flugplatz der US-Armee, die 1993 abgezogen ist. In der Baugrube mussten erst alte Kampfmittel beseitigt werden. Jetzt steht auf der ehemaligen Landebahn die Testhalle, in der Flugzeugrümpfe und Turbinen durchleuchtet und geprüft werden.
 

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