Bauernprotest: "Wir sind keine schlimmen Leute"

17.1.2020, 22:15 Uhr
Von Langenzenn ging es über die alte B8 und über die Fürther Ludwigbrücke in Richtung Nordwestring.

© Hans-Joachim Winckler Von Langenzenn ging es über die alte B8 und über die Fürther Ludwigbrücke in Richtung Nordwestring.

Ein Ende des Traktoren-Wurms ist längst nicht mehr zu sehen, und immer noch kommen neue Kollegen an. "Das glaubt man gar nicht, dass es noch so viele Bauern gibt", staunt Harald Pinsenschaum (29). "Man denkt immer, man ist allein, wenn man sonst auf der Straße ist."

Der junge Landwirt aus dem Raum Neustadt/Aisch hat sich gegen 8 Uhr mit einigen Leidensgenossen auf den Weg gemacht, ihre 15 Bulldogs gehören zu den ersten, die sich in der Würzburger Straße in Langenzenn einreihen. Andere rollen aus Kitzingen oder Rothenburg an, es ist einer der Sammelpunkte für die Sternfahrt zur Kundgebung in Nürnberg.

In Grüppchen stehen die Landwirte zusammen, manche stärken sich mit Kaffee, andere mit Würstchen. Die Stimmung ist entspannt – obwohl der Frust groß ist. "Wir sind alle gut ausgebildet, manche haben studiert", sagt Pinsenschaum, selbst Landwirtschaftsmeister. Jetzt kommt es ihnen so vor, als zähle ihr Wissen nicht mehr. Stattdessen mache die Politik vom Schreibtisch aus praxisfremde Vorgaben.

Absurd sei es, sagen Hermann Dietrich und Tobias Brehm, dass die Düngeverordnung erneut verschärft werden soll, ohne abzuwarten, was die Verschärfung aus dem vergangenen Jahr bewirkt. Zudem ergebe das miese Netz an Messstellen des Freistaats ein falsches Bild, was die Nitrat-Belastung des Grundwassers durch die Landwirtschaft betrifft. Das Bild der Gesellschaft von den Bauern selbst sei ebenfalls völlig verzerrt.


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Die Anerkennung fehle, sagt auch Dieter Klenk, der nahe Rothenburg zuhause ist, und betont: "Wir sind keine schlimmen Leute." Die Natur, versichern sie alle, liege doch gerade ihnen am Herzen. "Wir arbeiten damit – sie ist das Oberste für uns." Den Klimawandel, sagen sie, erleben sie vor der Haustür. Etwa wenn Bäume sterben, die immer da waren.

Die Bürokratie, aber auch das Imageproblem mache es jungen Landwirten immer schwerer, den Hof weiterzuführen, erzählt Pinsenschaum. Er habe zum Glück eine Partnerin, für viele aber sei es schwierig, eine Frau zu finden, die mitzieht. "Dabei ist das doch das Ziel: mit jemandem zusammen durchs Leben zu stapfen."

Und auch das verstehen sie nicht: Während sie Prügel bekommen, schließt die Politik das umstrittene Mercosur-Abkommen ab. "Wir Bauern in Deutschland können die Welt nicht allein retten", sagt Hermann Dietrich.

Dann ist es Zeit, aufzubrechen. Gegen 10.20 Uhr setzen sich die Traktoren in Langenzenn in Bewegung. Eine Dreiviertelstunde dauert es, bis alle am Bahnübergang "An der Bleiche" vorübergezogen sind. Achim Kreuzer gehört zu den Autofahrern, die ausgebremst werden, eine gute halbe Stunde wartet er in seinem Auto – gelassen. Er wisse die Arbeit der Landwirte zu schätzen: "Wir brauchen sie doch." Der Autofahrer hinter ihm sieht es anders: "Unverschämtheit", ruft er, beschimpft die Demonstranten als "Agrarausbeuter".

Über die alte B8 und durchs Fürther Stadtgebiet geht es zum Nordwestring - laut Polizei ist die Kolonne aus Langenzenn mit 500 Treckern die längste der Sternfahrt. Während die ersten schon am Volksfestplatz angekommen sind, passieren andere noch die Stadtgrenze Fürth/Nürnberg, wie ein Polizeisprecher sagt. Hunderte andere Traktoren, die sich in Heilsbronn sammelten, fahren derweil durch Stein. Viele Zuschauer standen an der Strecke, etliche reckten den Daumen hoch oder winkten, berichtet Pinsenschaum später: "Da bekommt man fast Gänsehaut. Offenbar stehen doch viele Verbraucher hinter uns."

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