Beim Lernen toben die Glückshormone

13.10.2013, 19:00 Uhr
Beim Lernen toben die Glückshormone

© Stöckl

30 Grad im Schatten, elf Stunden Flug, ein fünfgeschossiges Parkhaus, zwei Koffer: Gregor Staub war soeben gelandet und wollte schnell nach Hause zur Geburtstagsfeier seiner Tochter. Nur fand er sein Auto im Flughafen-Parkhaus nicht. Nach rund zwei Stunden hektischer Sucherei fiel es ihm, am Rande der Verzweiflung, siedend heiß ein: Er ist ja mit dem Zug gekommen!

Das war im Hochsommer 1986. „So kann das nicht weitergehen“, dachte sich der vergessliche Unternehmer. Der damals 32-Jährige begann, systematisch sein Gedächtnis zu trainieren. Er nutzte die sogenannte Mnemotechnik. Diese Gedächtniskunst — ihren Ursprung hat sie vermutlich etwa 500 vor Christus in Griechenland — ermöglicht das Lernen von Listen mit tausenden Wörtern oder unfassbar langen Zahlenkombinationen.

Aus der antiken Technik entwickelte Staub eine moderne Variante, genannt „MegaMemorySytem“, und wurde damit zum beliebtesten unter den Gedächtnistrainern: Inzwischen hat er 2500 Vorträge mit etwa einer Million Teilnehmer gehalten. Das irre Wissen, versichert er, hat rein gar nichts mit Intelligenz zu tun — „aber immer mit Motivation“.

„Kinder motiviert man am besten, indem man sie mindestens zehnmal am Tag lobt“, erklärt Staub den Eltern bei der Veranstaltung am Schliemann-Gymnasium. Am Vormittag waren die Schüler bereits an der Reihe, der Trainer übte mit ihnen Mathe. „Die klebten an der Tafel — wollten nicht mehr aufhören!“, ruft er den zunächst ungläubig dreinblickenden Eltern zu. Staub spricht, ja schreit nun fast vor Begeisterung: „Endorphine toben ohne Ende, wenn man so eine Lerntechnik beherrscht.“

Und die ist gar nicht so schwer, nur ein wenig Fantasie ist nötig: „Man muss sich auf die geistige Ebene eines Fünfjährigen begeben, dann funktioniert’s“, verspricht der Experte. Der Trick ist, sich alles über bildhafte Eselsbrücken zu merken und diese dann an genauen Orten festzulegen. Entweder am Körper oder in einem Raum. Ein Beispiel: Das Wort Morgentau, platziert er auf seinem Kopf. Warum? „Morgens, wenn ich Joggen gehe, habe ich danach Tau in den Haaren.“ Klingt logisch.

Oder Regenbogen: Über dem Treppengeländer in der Aula des Gymnasiums spannt sich dieses farbenprächtige Naturspektakel. Die Bilder müssen möglichst präzise sein, sagt Staub, das hilft. Sinn muss sie jedoch nicht immer ergeben, Hauptsache, man kann sie sich merken.

Es funktioniert: Innerhalb von zehn Minuten sind seine Zuhörer in der Lage, eine Liste aus 20 spontan zusammengetragenen Wörtern der Reihen nach vorwärts und rückwärts herunterzurattern. Die Skepsis ist verflogen, Euphorie macht sich breit. Staub hat sein Ziel erreicht, sein Publikum will nur noch eines: mehr lernen.

Weiter geht es mit den Zahlen. Jede Ziffer hat ihr eigenes Bild. Der Hocker steht für die Drei — so viele Beine benötigt er, um zu stehen; die Hand steht für die Fünf — die Anzahl der Finger; und die sieben Zwerge natürlich für die Zahl Sieben. Nun lässt sich die passende Geschichte erzählen: Die Sieben Zwerge geben sich die Hand und klettern auf einen Hocker: 753 — die Gründung Roms. Geschichte kann ja so einfach sein.

Alle Fächer hat Staub im Visier — fast alle. Bei der Physik aber helfen weder Mnemotechnik noch das „MegaMemorySystem“. Für diese Naturwissenschaft gibt es keine Eselsbrücken. „Um das zu verstehen, muss man wirklich intelligent sein“, sagt Gregor Staub.
 

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