Beliebtes Weihnachtskonzert: Jutta Czurda singt diesmal online

24.12.2020, 19:00 Uhr
Beliebtes Weihnachtskonzert: Jutta Czurda singt diesmal online

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Eiskalt wäre uns Jutta Czurda im weihnachtlichen Familienstück des Stadttheaters gekommen. Doch auch "Die Schneekönigin" weicht dem Virus - und hat nun Premiere zur Weihnachtszeit 2021. Ins fünfte Jahr ginge heuer ein "Ausverkauft"-Garant des Hauses, das Mitsing-Konzert "Oh Tannenbaum".

Aus dem Live-Erlebnis ist nun ein 30-minütiges Video geworden, das seit Mittwoch abrufbar ist. Mit Czurda - Choreografin, Tänzerin, Sängerin und Stadttheater-Ensemblemitglied - sprachen die FN über ein außergewöhnliches Jahr, Übungen gegen die Traurigkeit und kaputte Knie.

Wenn Sie einen Abend über das Jahr 2020 gestalten dürften, für welches Format würden Sie sich entscheiden: Schauspiel, Konzert oder Tanztheater?

Da es in meiner Arbeit um eine berührbarere Welt geht, würde ich das Tanztheater in Verbindung mit Musik wählen. Schon vor der Pandemie hat mich beschäftigt, dass das Nichtberühren auch im übertragenen Sinn ein Problem unserer Gesellschaft ist. Covid-19 hat dieses Problem um ein Vielfaches vergrößert.

Welchen Titel würden Sie dieser Produktion geben?

"Touch".

Sie sind eine lebenserfahrene Künstlerin und wurden in diesem Jahr 65. Können Sie sich an ein ähnlich krisenhaftes Jahr erinnern?

Einschneidendes gab es immer. Auch 9/11 und Tschernobyl haben einen im Lebensgefühl aus der Bahn geworfen. 2020 aber ist eine globale Herausforderung, die Erfahrungen an nahezu allen Orten sind identisch. Das ist bislang ohne Vergleich. Ich verbringe sonst einige Monate im Jahr bei meinem Mann in San Francisco. In diesem Jahr war er fast die ganze Zeit bei mir in Fürth. Wir sind heilfroh, dass wir gemeinsam durch die Krise gehen, und zwar hier und nicht in dem Land, wo der gefährliche Clown regiert. Unsere Knie, auf die wir dreimal täglich vor Dankbarkeit fallen, sind schon aufgescheuert.

Aber auch hierzulande ist die Politik nicht mit allen und allem pfleglich umgegangen. Zum Beispiel mit der Kultur. Was würden Sie Herrn Söder zum Jahresende unbedingt noch sagen wollen?

Herr Söder, das Theater ist kein Bordell, es ist ein Grundlebens- und -nahrungsmittel! Wenn Sie die Gotteshäuser offen lassen, dann kann ich nicht verstehen, dass die Intendanten ihre Häuser schließen müssen. Ich will gar nicht die Fixierung der Entscheider auf die ökonomische Seite kritisieren. Aber mir gibt zu denken, dass Theater, nicht-materielle Räume und alles, wo es um Geistig-Seelisches geht, offensichtlich so gering geschätzt werden. Kultur gehört nicht zu Söders Leben. Die erste Lockdown-Pressekonferenz im Frühjahr: Ich habe die ganze Zeit gewartet, wann er denn was zur Kultur sagt. Stattdessen das große Bedauern darüber, dass die Biergärten geschlossen bleiben müssen. Natürlich kann man das bedauern. Aber von einem Politiker würde man sich schon einen größeren Rundblick wünschen.

Nun fielen im Dezember gleich zwei Produktionen mit Ihnen aus, "Die Schneekönigin" und " Oh Tannenbaum". Was überwiegt bei Ihnen, Traurigkeit oder Galgenhumor?

Wir hatten am vergangenen Freitag "Schneekönigin"-Generalprobe. Es ist so seltsam, in ein leeres Haus zu spielen. Es fehlt das Gegenüber. Während der Probenwochen vergisst man diese Umstände. Bei den Endproben merkt man es plötzlich: Du rufst in den Wald, und es tönt nichts zurück. Das Theater ist in diesen Wochen um seine Ur-Idee gebracht. Bei "Oh Tannenbaum" kamen wir zum Einspielen zusammen und begannen mit dem Schluss, mit "Stille Nacht". Das hat uns plötzlich derart ergriffen, dass jeder aus seiner Isolation herauskam. Wir saßen alle da wie die staunenden Kinder. Und mit feuchten Augen, die freischaffenden Kollegen hatten ja das ganze Jahr lang nichts. In diesem Moment wurde uns der Verlust von Nähe und Berührung bewusst.

Wann reifte der Entschluss, "Oh Tannenbaum" als Videoproduktion zu machen?

Uns wurde rasch klar, dass wir nicht nichts machen können. Wir wissen, dass der Abend Fans hat, für die das eine Art Kirchgang-Ersatz ist, Fans, die allein sind und traurig. Zuerst überlegten wir, das alles nach draußen auf den Theaterplatz zu verlegen, mit viel Abstand und Glühwein. Als dann klar war, dass auch das nicht geht, haben wir gesagt, okay, dann bringen wir "Oh Tannenbaum" zu den Zuhörern nach Hause. Ein kleiner, warmer Gruß von uns, ein 30-minütiges Konzert mit Lesung. Und mit unserem Gast dieses Jahres, Markus Simon.

Sie spenden mit dem Programm Trost und Zuversicht. Wo holt sich Jutta Czurda Trost und Zuversicht?

Es ist eine innere Übung. Ich versuche immer wieder, mich zu erinnern, was das Wichtige ist im Leben. Liebe, Freundschaft, Verbundenheit mit anderen Menschen. Mir selbst geht es gut, ich muss dankenswerterweise nicht um meine Existenz ringen, und ich lebe nicht allein. Dann überlege ich, wem es nicht so geht. Und den rufe ich an. Das gibt mir Kraft.

Drehen wir das Rad um ein Jahr vor. 22. Dezember 2021: Wird die Welt ein besserer Ort sein als heute?

Ja. Die Hoffnung ist groß, dass wir uns wieder begegnen können, dass wir Lebendigkeit leben. Dass sich die Angst legt und sich die immer wieder spürbare Spaltung unserer Gesellschaft kitten lässt.

"Oh Tannenbaum", mit Jutta Czurda, Jo Barnickel (Klavier), Norbert Nagel (Klarinette, Saxofon), Yogo Pausch (Drums), Markus Simon (Bass), Norbert Küber (Rezitation und Moderation): unter www.stadttheater.de/ohtannenbaum

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