Vortrag des Nürnberger Seniorenrats

Betreutes Wohnen: "Die Rendite-Haie warten schon"

2.5.2019, 06:00 Uhr
Betreutes Wohnen:

© Foto: Thomas Scherer

Mit den Plänen der Marktgemeinde für ein Seniorenwohnprojekt habe die Veranstaltung nichts zu tun, betonte Seniorenbeiratsvorsitzender Herbert Klößinger vor dem Vortrag. Wie berichtet, hat sich die Betreuungsstuben GmbH dem Gemeinderat Ammerndorf als Investor für eine seniorengerechte Bebauung des Dullikener Platzes vorgestellt und will hier neben Tagespflege auch ambulant betreutes Wohnen anbieten.

Betreutes Wohnen lautete auch das Thema, zu dem Martin Wiedenbauer vom Nürnberger Stadtseniorenrat im Ammerndorfer Bürgerhaus sprach. Ob es eine alternative Wohnform für Senioren sei, fragte der Referent im Titel des Vortrags, zudem kündigte er "kritische Informationen zu dieser Frage" an.

Unter den Zuhörern waren fünf Gemeinderäte und Bürgermeister Alexander Fritz. Der zeigte sich nach den Ausführungen beeindruckt. "Es sind interessante Fragen aufgekommen", sagte er und versprach, diese mit dem Investor klären zu wollen. Private Betreiber von Anlagen für betreutes Wohnen kämen in dem Vortrag "nicht gut weg", stellte er fest.

"Viele dieser Wohnanlagen werden von Bauträgern gebaut, die an Privatmenschen verkauft werden, die ihr Geld investieren und eine möglichst hohe Rendite herausbekommen wollen", sagte Wiedenbauer. Er regt an, dass Kommunen solch ein Projekt auch selbst in die Hand nehmen oder Bürger sich dafür genossenschaftlich organisieren könnten. Er nannte das NürnbergStift als Beispiel, bei dem die Stadt alleiniger Kapitaleigner ist.

Kein Schutz vor hohen Mieten, keine Kontrollinstanz

Denn: Es sei nicht gewährleistet, dass die von einem Anbieter für betreutes Wohnen versprochenen Leistungen dauerhaft gewährleistet sind, so Wiedenbauer – etwa im Falle einer Insolvenz. Auch seien Bewohner nicht vor überzogenen Mieterhöhungen geschützt, ein Bezug zum örtlichen Mietspiegel oder zu Mieterschutzgesetzen existiere zudem nicht. Im Gegensatz zu einem Pflegeheim gebe es keine Kontrollinstanz, keine Heimaufsicht, sondern lediglich den medizinischen Dienst der Krankenkassen.

Auch eine Bewohnervertretung sei unüblich, vielmehr sei jeder zu Eigenverantwortung und -initiative aufgerufen. Hinzu kämen große Unterschiede im Leistungsangebot. Die Kassenleistungen seien niedrig, Zuzahlungen häufig – man müsse sich betreutes Wohnen schlicht auch leisten können. Neben allen kritischen Anmerkungen nannte Wiedenbauer aber auch positive Aspekte dieser Wohnform, etwa die Gemeinschaftsräume für soziale Teilhabe und die Möglichkeit, einen eigenen Haushalt zu führen.

Anlass zur Einladung von Wiedenbauer war, so Klößinger, die Seniorenumfrage im vergangenen Jahr, bei der sich etwa 260 Bürger beteiligt hatten. Etliche hätten dabei ihren Wunsch nach Wohnlösungen für Senioren geäußert — Lösungen, die es in Ammerndorf noch nicht gibt. Seniorenbeirats-Chef Klößinger: "Mit dem Vortrag wollen wir lediglich zum Nachdenken anregen."

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