Blühpatenschaft: Sinnvoll oder Augenwischerei?

19.3.2019, 06:00 Uhr
Blühpatenschaft: Sinnvoll oder Augenwischerei?

© Bayerische Staatsforsten

Mit Blühpatenschaften reagieren Bauern im Freistaat auf das Abstimmungsverhalten der Menschen beim Volksbegehren für den Artenschutz. Es wurde mit 1,7 Millionen Unterschriften (18,4 Prozent) zum erfolgreichsten in der Geschichte Bayerns.

Auch beim gemeinnützigen Verein Fürth Natur, der in Sachen Naturschutz zwischen Landwirten, Kommunen und Privatpersonen vermitteln will, hat man nachgerechnet und kam, so Sprecherin Franziska Wollandt, zu diesem Schluss: Wären alle Unterzeichner des Volksbegehrens im Kreis Fürth Blühpaten, würden 200 Hektar Ackerland zum bunten Blumenmeer.

Vergleichsweise günstig

Der Verein bietet nun auch Beteiligungen an. Die Konditionen sind vergleichsweise günstig: Einmalig 50 Euro für zwei Jahre und 100 Quadratmeter. Fürth Natur wurde mitgegründet vom Maschinenring, einem Zusammenschluss landwirtschaftlicher Betriebe. Ziel sei es, sagt Wollandt, gemäß dem jeweiligen Spendeneingang in der Stadt Fürth und in jeder Kommune des Landkreises eine Blühfläche anzusäen. Schön für die Bauern: Ums Organisatorische inklusive Vertragsgestaltung kümmert sich Fürth Natur. Und die Kunden können ihre Spende steuerlich absetzen.

Wie berichtet, haben hiesige Landwirte bereits auf eigene Faust Vorstöße unternommen: Stefan Hofmann aus Fernabrünst etwa will für das Experiment Bienenweide 3000 Quadratmeter Platz schaffen, für 2000 hat er schon Interessenten. Familie Assel aus Keidenzell bietet bei drei Jahren Laufzeit 70 000 Quadratmeter an und will, wenn die vergeben sind, weitere 20 000 auf eigene Rechnung aus der Nutzung nehmen. Örtliche Naturschützer fänden das gut, berichtet Michael Assel. Aktuell seien von den 700 Parzellen 140 so gut wie weg.

Win-Win-Situation

Nikolaus Ehnis, Fachberater für Pflanzenbau im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth, freut sich über eine Win-Win-Situation. Denn dank der Patenschaften erhielten nicht nur bedrohte Insekten neue Lebensräume und Futterquellen. Hinzu komme, dass Bürger und Landwirte beim Naturschutz an einem Strang ziehen.

Die Initiatoren des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" begrüßen laut Pressemitteilung, dass "etwas in Bewegung geraten ist" – kritisieren befristete Blühpatenschaften jedoch als "Kleinstmaßnahmen". Im Kampf gegen den Verlust von Lebensräumen seien sie zwar begleitend sinnvoll, aber keine Alternative zu einem neuen Naturschutzgesetz.

"Wir brauchen langfristige Strukturen", betonte Sprecher Norbert Schäffer auf FN-Nachfrage. Dem Artensterben in der Agrarlandschaft sei nur beizukommen, wenn im Bayerischen Naturschutzgesetz beispielsweise die Vernetzung von Lebensräumen für Tiere verankert werde, der Erhalt und die Schaffung von blühenden Randstreifen an Bächen und Gräben, der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, die Umwandlung von zehn Prozent aller Wiesen in Blühwiesen.

"Da bleibt mehr Geld übrig"

Interessenten für Blühpatenschaften rät Richard Mergner, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern, sich gut zu informieren und auf Saatgut, Dauer der Patenschaft und ausreichenden Abstand zu Ackerflächen zu achten, die mit Pestiziden behandelt werden.

Man brauche hochwertiges, heimisches Saatgut, bekräftigt Schäffer, mehrjährige Standzeiten und ausgedehnte Blühflächen, die abschnittsweise gemäht werden. Nur so entstünden Überwinterungsmöglichkeiten für Insekten.

Lebhaft diskutiert wird unterdessen auch im FN-Online-Angebot über den Preis der Patenschaften. Dabei ist mitunter sogar von Wucher die Rede. Zum Vergleich: Über das Kulturlandschaftsprogramm Kulap gewährt der Staat 2019 für Blühflächen, auf denen fünf Jahre nichts angebaut werden darf, 600 Euro pro Jahr und Hektar — sechs Euro also für 100 Quadratmeter. In einer Größenordnung von 8,50 Euro wiederum liegt laut Pflanzenbauberater Ehnis der Verkaufserlös, wird auf derselben Fläche Getreide angebaut.

Dass Bauern für Blühpatenschaften ein Vielfaches fordern, findet Naturschützer Schäffer "astronomisch". Ehnis hingegen ("Da bleibt halt mehr Geld übrig") bleibt so gelassen wie die Fürth-Natur-Sprecherin: "Wenn man Anbauflächen schon brachliegen lässt, sollte sich das auch lohnen." Wollandt weist darauf hin, dass zertifizierte Blühmischungen weit mehr kosten als reguläres Saatgut etwa für Getreide, nämlich bis zu 1000 Euro pro Hektar statt bis zu 150 Euro.

Während Schäffer fürchtet, dass die Blühpaten-Euphorie irgendwann nachlässt und das so genannte "Unkraut" nach ein, zwei Jahren wieder "untergepflügt und weggespritzt wird", sieht Wollandt in den Projekten für Landwirte auch eine Chance, Ertragseinbußen aus schlechten Jahren wettzumachen.

Landwirt Hofmann freut sich einstweilen über den "direkten Kontakt mit den Leuten". Seit Tagen, sagt er, tausche er sich mit seinen Paten aus. Weil die auch nach kräuterkundlichen Führungen fragen, will er sich nun weiteres Wissen über die Tier- und Pflanzenwelt auf seinen künftigen Blühflächen anlesen.

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