Brandbrief einer Hundetrainerin: Corona hinterlässt uns viele Problem-Hunde

20.3.2021, 09:00 Uhr
Brandbrief einer Hundetrainerin: Corona hinterlässt uns viele Problem-Hunde

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Nach Angaben des Verbands für das Deutsche Hundewesen sind im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr 20 Prozent mehr Hunde verkauft worden. Prominentester frischgebackener Hundefreund in Pandemie-Zeiten ist Ministerpräsident Markus Söder, in dessen Familie jetzt Welpe Molly lebt.

Eine neu entdeckte Tierliebe, die nach Einschätzung von Fachleuten problematisch ist. Auch Desiree Höck, die in Cadolzburg die Hundeschule "Hundeerziehung mit Herz" betreibt, hält das für äußerst bedenklich. "Die Pandemie wird uns eine Menge Problem-Hunde hinterlassen", sagt sie. "Es wird immer mehr Hunde geben, die ihren Haltern über den Kopf wachsen, weil sie beißen oder aktiv jagen."

Acht Stunden in der Wohnung

Was aus ihnen nach Corona und Homeoffice wird, wenn sie acht Stunden am Tag möglichst still in einer Wohnung ausharren sollen, sei ohnehin die Frage. "Wir Hundetrainer sind system- und vor allem tierschutzrelevant", sagt Höck.


Mehr Problem-Hunde nach dem Lockdown?


Die 28-Jährige entdeckte vor 13 Jahren ihre Passion. Seit 2015 arbeitet sie als Hundetrainerin, zuerst neben einer Anstellung als Tierarzthelferin; seit vergangenem März aber hat sie sich komplett aufs Hundetraining verlegt, ausgerechnet pünktlich zum ersten Lockdown. Ihre erste größere Veranstaltung wäre ein Seminartag mit anderen Hundetrainern, Physiotherapeuten und Tierheim-Vertretern gewesen, doch der wurde gekippt.

"Wir kämpfen um unsere Existenz"

Anschließend blieben die Einnahmen fast zwei Monate lang aus, seit Mitte Dezember ist ihr Einkommen erneut fast auf null heruntergefahren. "Meine Kollegen und ich kämpfen um die Existenz", so Höck. Sie lebt von Erspartem "und von sehr netten Eltern".

Der Trainingsplatz und das Gewächshaus als Indoor-Bereich, die sie bei der Cadolzburger Gärtnerei Pfaff an der Schwadermühle gepachtet hat, sind verwaist. Es sei denn, sie sieht mit ihren beiden Australian-Shepherd-Mischlingshündinnen Pepper und Yuma nach dem Rechten.

Höck macht Online-Angebote, doch damit sei nur ein Bruchteil der Einnahmen zu erzielen wie vor der Pandemie. Ganz abgesehen davon, dass sie das Training via Chat nur als Behelfslösung betrachtet. Hundetraining erfordere "sekundenschnelle Entscheidungen. Wenn ein Hund einen anderen attackiert, kann ich online unmöglich adäquat und schnell genug reagieren".

Nicht mal Einzeltraining im Außengelände ist möglich

Warum sie nicht einmal im 1000 Quadratmeter großen Außengelände – natürlich unter Hygieneauflagen – zumindest Einzeltraining anbieten kann, ist für sie unverständlich. Zumal sich in der vergangenen Woche wegen der niedrigeren Inzidenz noch bis zu fünf Personen aus zwei Haushalten treffen durften oder auch private Gassi-Runden mit bis zu zehn Leuten im Freien zulässig waren.

Bayern gehe äußerst restriktiv vor, meint sie, andere Bundesländer erlaubten bereits das Training, selbst Gruppenangebote. In Niedersachsen hat ein Hundetrainer vergangene Woche mit Unterstützung seines Berufsverbands erfolgreich geklagt, dort dürften die Hundeschulen nun auch wieder öffnen.

"Eine Generation an Beißern will niemand haben"

"Ich will keine Sonderrechte, und ich will auch keine Grauzone etablieren, aber ich will eine vernünftige Regelung, um meinen Beruf auszuüben", sagt Höck. Schlimmstenfalls verfestige sich bei jungen Hunden unerfahrener Halter Problemverhalten. "Und eine Generation an Beißern nach Corona will doch wohl keiner haben", so Höck.

Außerdem verweist sie auf Trainingseinrichtungen in Nachbar-Landkreisen, die mit Sondergenehmigungen wieder geöffnet hätten. Wieso der Landkreis Fürth diesen Ermessensspielraum nicht nutze, ist ihr unerklärlich.

Ausnahmen nur für unaufschiebbare Einzelfälle

Ausnahmegenehmigungen gibt es im Landkreis nur für "unaufschiebbare Einzelfälle, in denen ohne eine sofortige Sozialisierung des Hundes die Allgemeinheit gefährdet wäre", teilt das Landratsamt dazu mit. Höck hat zwei Anfragen in solch einem Fall an einen Ansbacher Kollegen weitergeleitet, weil sie nicht darauf spezialisiert ist.

Im Landkreis Fürth hat keiner der insgesamt 22 gemeldeten Hundetrainer eine Ausnahmeregelung, heißt es auf Nachfrage der FN-Redaktion aus dem Landratsamt. Und sollten andernorts in der Region tatsächlich Hundeschulen offene Türen haben, müsste ihnen eine solche Sondergenehmigung vorliegen, teilt Sonja Zeilinger aus dem Büro des Landrats mit. Schließlich liege eine allgemeingültige Rechtsverordnung zugrunde.

Viele Anrufe

Höcks Hundetraining wäre aktuell offenbar sehr gefragt. Jede Woche erhält sie nach eigenem Bekunden fünf bis zehn Anrufe von Interessenten, deren Aussagen deutlich zu entnehmen sei, dass sie bereits diverse vergebliche Telefonate hinter sich haben.

Nach der jüngsten Ministerkonferenz hat sie nicht den ersten Brandbrief an Landrat Matthias Dießl geschrieben. Sie erhielt die Antwort, doch noch etwas Geduld aufzubringen.

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