Buchschwabach verabschiedet sich vom Dorfgasthaus

25.12.2016, 16:00 Uhr
Buchschwabach verabschiedet sich vom Dorfgasthaus

© Foto: Claudia Wunder

Elisabeth Keller und ihr Mann hätten in diesem Jahr ihren 48. Hochzeitstag gefeiert. „Wir waren mit der ganzen Familie aus diesem Anlass essen und ich hab’ ein Bild von Horst auf den Tisch gestellt, so war er auch dabei.“ Das, sind sich die 67-Jährige und ihr Enkel Markus (27) einig, „hätte dem Horst gefallen.“. Auch, dass ihm an seiner Beerdigung mehrere hundert Menschen – Dorfbewohner, Wegbegleiter, Gäste – die letzte Ehre erwiesen und in seinem Gasthof den Leichenschmaus zusammen eingenommen haben, gemeinsam gegessen, getrunken und geredet haben.

Wirt mit Leib und Seele

Denn das war dem gelernten Metzgermeister und Wirt mit Leib und Seele eine Herzensangelegenheit: mit seinen Gästen ins Gespräch zu kommen. „Er hat jeden angesprochen: Wo kummst na her, was machtern asu?“ Enkel und Großmutter lächeln bei der Erinnerung. „Mein Opa“, sagt Markus, „der war ein echter Menschenkenner.“

Als man den schwer herzkranken Horst Keller 2014 vom Krankenhaus „zum Sterben nach Hause“ schickte, war für seine Frau deshalb sofort klar: Er braucht den Kontakt zu den Leuten. Deshalb richtete die Familie das Nebenzimmer im Erdgeschoss gleich gegenüber der Gaststube für den Wirt ein.

So konnte er weiter mit den Gästen plaudern, manchmal schaffte er es sogar, das ein oder andere Bier zu zapfen. „Das, davon bin ich überzeugt, hat ihm noch zwei Lebensjahre geschenkt“, ist seine Witwe überzeugt.

Ganz früher, berichtet Elisabeth Keller, sei das Anwesen in Buchschwabach eine Brauerei gewesen, daher war es auch mit Felsenkellern ausgestattet. „Meine Großeltern haben das Bier im Keller gezapft, und von dort haben die Gäste es holen können“, erzählt die 67-Jährige aus ihrer Kindheit.

Ihre Eltern hätten dann eine Bierwirtschaft betrieben – denn früher seien die Leute nicht zum Essen gekommen. „Viele haben ihre Vesper dabei gehabt, und meine Schwester und ich haben den Leuten sogar manchmal die Stadtwurst weggegessen“, sagt sie lachend.

Erst nachdem Elisabeth und Horst Keller das „Rote Ross“ übernommen und 1976 die Küche umgebaut hatten, begannen sie, auch Kleinigkeiten zum Essen anzubieten. Anfangs arbeitete Horst Keller noch als Metzger und half im Schlachthof aus. Mit der Zeit lief das Geschäft aber immer besser, „und manchmal hatten wir in den 70er Jahren mittags sogar über 30 Leute zum Essen da“, blickt Elisabeth Keller zurück.

Eine Zeitlang hielten die Kellers sogar bis zu 60 Schweine, in der alten Waschküche wurde dann alle paar Wochen geschlachtet. Während ihr Mann die Gäste bewirtete, stand Elisabeth immer in der Küche. „In meiner Freizeit habe ich gerne Gerichte ausprobiert und nach meinem Gutdünken verändert. Wenn wir mal essen waren, habe ich immer etwas bestellt, das ich nicht kannte, um es dann zuhause nachzukochen“, verrät sie. Wer von ihr jedoch ein genaues Rezept möchte, der hat Pech: „Ich koche nur nach Gefühl: Dou a weng und dou a weng“, sagt sie. Absolute Renner waren immer die Schnitzel und die gebackene Leber. Und natürlich die Karpfen. Selbst an Heiligabend backt sie noch 80 bis 100 Exemplare, die abends geholt werden können.

Ja, ein harter Job sei das schon gewesen, sagt „Oma Lisbeth“ – auf Nachfrage. Schließlich hat sie neben der Kocherei auch noch drei Kinder großgezogen, Pensionszimmer vermietet und ihren eigenen Haushalt geschmissen. Am „Ruhetag“ wurde dann geputzt, eingekauft und gemistet. „Ich habe immer gesagt: Der Ruhetag ist für die Gäste“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Anstatt zu jammern oder sich über die viele Arbeit zu beklagen, betont die Buchschwabacherin jedoch, wie viel Hilfe sie immer bekommen habe. „Die Brüder meines Mannes, deren Frauen, meine Schwester, unsere Kinder und Enkel, Bekannte und Freunde – sogar die Partner und Ex-Freundinnen oder deren Mütter etwa haben uns bei Hochzeiten und Festen immer unterstützt.“

Besonders bei dem Großereignis des Jahres in der Ortschaft schlechthin, der Kirchweih. „Ja, die Kärwas bei uns waren schon wirklich legendär“, sagt Markus. „Eine waschechte Wirtshauskärwa war das, bei der man die Speisekarte rauf und runter bestellen konnte, die Bedienungen das Bier an die Tische brachte und alle Generationen miteinander feierten.“ Ein bisschen Wehmut klingt nun in seiner Stimme mit.

Die Gäste strömten

Doch als Elisabeth Keller am zweiten Weihnachtsfeiertag die Türen des Gasthofs schloss, war sie erleichtert. „In den letzten Wochen war so viel zu tun, dass ich manchmal nachts nicht schlafen konnte aus Sorge, dass ich die Arbeit nicht schaffe.“

Denn „seit wir bekannt gegeben haben, dass wir aufhören, rennen uns die Leute die Bude ein“, erzählt sie. Jeder will „nu a mol vorbeischaun“, sich verabschieden, manche bringen sogar Blumensträuße vorbei und sagen „Danke“ für eine wunderbare Zeit und stolze 45 Jahre. „Da sind mir dann doch schon die Tränen gekommen“, gibt die Wirtin zu.

Dennoch: Die Arthrose in den Händen setzt ihr zu, „und ich freue mich auf Ruhe“. Langweilig werde es ihr nicht werden. „Ich ziehe dann zu meiner Tochter ins Haus und kann ein bisschen „Haushälterin“ bei ihr sein“, sagt sie. Enkel Markus ergänzt: „Und nächstes Jahr fahren wir erst mal gemeinsam mit der Oma in den Urlaub.“ Das hätte dem Horst gefallen.

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