Cadolzburger Burgführer selbst ganz überwältigt

2.7.2017, 21:00 Uhr
Cadolzburger Burgführer selbst ganz überwältigt

© Josef Wipperfürth

"Phänomenal, was die sich alles haben einfallen lassen": Helmut Krämer ist voll des Lobes für das Feuerwerk an Ideen, das die beiden Kuratoren Uta Piereth und Sebastian Karnatz gezündet haben, um die Hohenzollern darzustellen. "Sie können sich eine Woche Urlaub nehmen und jeden Tag herkommen, dann haben Sie trotzdem noch nicht alles gesehen, was es zu entdecken gibt", sagt er den Gästen seiner Premierenführung am Tag des Staatsakts zum Start des Museums. "Ganz zu schweigen davon, dass das alles in einer 75-minütigen Führung unterzubringen wäre..."

Schalk im Nacken

Cadolzburger Burgführer selbst ganz überwältigt

© fn

Dabei hat der Ehrenvorsitzende des Heimatvereins Erfahrung damit, den Menschen die Cadolzburg und wie ihre Bewohner im Spätmittelalter lebten, zu erklären. Über 1700 Gruppen, mehr als 32 000 Personen, hat er seit 1990 durch die Burg geführt. Seinen Schatz an Anekdoten kann der Burgführer, dem der Schalk im Nacken sitzt, jetzt allerdings um eine ganz fantastische ergänzen: Denn die Cadolzburg ist das einzige Museum weltweit, das Einhornmehl besitzt, wie Krämer frohlockt. Organisiert hat es — na, wer wohl?

Cadolzburger Burgführer selbst ganz überwältigt

© Gerda Nickel-Schuhmacher

Und das kam so: Eine Woche vorm Eröffnungstermin beklagte sich Uta Piereth eher im Scherz, wie schade es doch sei, an kein Einhornmehl herangekommen zu sein: Zu gut würde es in den Mörser passen, der die Schautafel in der Fürstenkapelle ziert. Auf ihr wird erklärt, wie nah Frömmigkeit und Aberglaube bei den Zollern beieinanderlagen. Einhornmehl war ein Aspekt dieses Aberglaubens. Es war das Viagra des Mittelalters.

Viagra des Mittelalters

Cadolzburger Burgführer selbst ganz überwältigt

© Gerda Nickel-Schuhmacher

Doch ein Krämer ist um kreative Lösungen nicht verlegen. Er fragte einen befreundeten Jäger, ob der vielleicht ein Rehgeweih erübrigen könne. Nicht jeder Bock ist schließlich ein Sechsender. Er bekam ein etwas krüppeliges Gehörn, doch das genügte Krämers Zwecken. Mit einer Holzraspel schabte er die mit ausgekochte Schädeldecke ab. Und Uta Piereth hatte ihr Knochenmehl, das den Museumsbesuchern jetzt als Einhornmehl verkauft wird. Aber im Mittelalter nahm man es schließlich auch nicht so ganz genau mit der Wahrheit. Damals stammte das angebliche Einhornmehl vom Stoßzahn des Narwals.

Cadolzburger Burgführer selbst ganz überwältigt

© Andreas Losert

Solche Gags liebt Krämer, mit den multimedialen Inszenierungen oder interaktiven Stationen der modernen Museumsdidaktik hat er nicht so viel am Hut. Er schätzt eher die klassische Darstellungsform. Sein persönliches Lieblingsstück ist das Modell der ersten Burganlage anno 1250. Und im Vergleich dazu der Ausbauzustand 200 Jahre später: Die Nachbauten zeigen, was die Zollern aus der bescheidenen Veste machten und dokumentieren damit gleichzeitig den erstaunlichen Aufstieg aus eher unbedeutenden Anfängen zu den Stammeltern aller preußischen Könige und der letzten drei deutschen Kaiser.

Cadolzburger Burgführer selbst ganz überwältigt

© Nicolas Schuhmacher

Zigfach hat Krämer das auch am Eröffnungswochenende erläutert. Allein am Tag der offenen Tür am Samstag erkundeten 6500 Besucher die Cadolzburg. "Am Freitag, nach dem Staatsakt", meint Krämer rückblickend, "war ich fix und fertig, da hab’ ich nichts mehr gebraucht." Aber als er am Samstag nach Hause kam, trug er ein Lächeln mit heim: Wie allen Burgführern war ihm ein Bereich zugewiesen gewesen, um Besuchern für Erklärungen zur Verfügung zu stehen. Krämer verbrachte den Tag in seinen Lieblingsräumen: im Eichensäulen- und im Erkersaal, den rekonstruierten Prunkräumen im zweiten Obergeschoss des Alten Schlosses. "Acht von zehn Besuchern, die da waren", berichtet er, "sind Cadolzburger gewesen. Und jeder hat gesagt, Mensch, das ist eine echte Schau geworden, jeder war begeistert." Die Cadolzburger sind sich einig im Urteil über ihre wiederaufgebaute Burg.

Cadolzburger Burgführer selbst ganz überwältigt

© Barbara Kohnle

Wie es Krämer während dieser ersten Tage auf "seiner" Burg ging, wird deutlich, als eine Freundin auf ihn zukommt und ihn mit dem Kommentar "Du musst doch eine Woche geheult haben vor Freude, als du all das hier gesehen hast" kurz drückt. Krämers Antwort: Ein seliges Lächeln und Tränen in den Augen.Barbara Kohnle aus Fürth, bis 2008 Cadolzburgerin, freut sich, „die fertige Burg endlich bewundern zu können“, ihr Bild von Schlange stehenden Premierengästen belegt, dass sie nicht allein der Eröffnung entgegenfieberte.

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