Corona brachte Angst und Dankbarkeit in die Seniorenheime

16.11.2020, 11:00 Uhr
Corona brachte Angst und Dankbarkeit in die Seniorenheime

© Heike Lyding

Die Heimleitung

An Gabriele Siegeln ist der Deutsche Pflegetag, der virtuell stattfand, zunächst etwas vorbeigezogen. Zu sehr ist die Leiterin des städtischen Seniorenheims in der Fürther Stiftungsstraße momentan damit beschäftigt, das auf knapp 150 Bewohner ausgelegte Haus gut durch die zweite Coronawelle zu steuern.

Seit das Virus im März so massiv aufgetreten ist, dass quasi alle Heime aus Angst vor verheerenden Folgen für die betagten Menschen ihre Türen schlossen, ist viel passiert. Auch in der Stiftungsstraße gab es ein wochenlanges Besuchsverbot von Angehörigen – und viele Unsicherheiten.

"Wir mussten in dieser Zeit sehr selbstständig agieren und den besten Weg für uns finden", sagt Siegeln. So hat sie die baulichen Möglichkeiten des Hauses genutzt und einen Bereich eingerichtet, in dem infizierte Bewohner isoliert werden können.

Um möglichst wenige Beschäftigte einer Ansteckung auszusetzen und so der Verbreitung des Virus Vorschub zu leisten, setzte Siegeln in diesem Bereich auf eine Zwölf-Stunden-Schicht. Eine Ausnahme sei das im Stiftungsheim gewesen, beteuert sie, in anderen Häusern gebe es dieses Arbeitszeitmodell gerade während der Pandemie häufiger.


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Gefreut hätten sich ihre rund 50 Pflegekräfte über die Anerkennung ihrer Leistung durch eine Prämie von 1500 Euro, die Bund und Land zahlen. Sie selbst hat ihrem Personal kostenlose Coaching-Angebote via Video unterbreitet. Auch hier stand die Würdigung des Einsatzes in schwierigen Zeiten im Vordergrund.

Von der Politik wünschen würde sich Siegeln im Interesse ihres Teams, dass der Personalschlüssel überprüft wird. "Man müsste überlegen, wie man Pflegekräfte auch anders einsetzen könnte, wer für welche Tätigkeiten qualifiziert ist und was abgegeben werden kann." Nach wie vor herrsche ein eklatanter Mangel an gutem Personal. Immerhin aber beobachtet die Heimleiterin ein gestiegenes Interesse am Beruf. "Er wird nun als krisensicherer Job wahrgenommen."

Die Angehörige

Seit rund anderthalb Jahren lebt die Schwiegermutter von Dagmar Löb in einem Seniorenheim im Landkreis. Die 70-Jährige, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat auf diese Weise viele Einblicke bekommen – auch wenn im Frühling keine Besuche der 96 Jahre alten Dame mehr möglich waren. Löb hat Verständnis für den Druck, der seit Corona auf den Einrichtungen lastet. "Alle haben natürlich Angst vor einem Ausbruch", sagt sie – und würde es begrüßen, wenn es allgemein gültige Regelungen für Heime gäbe.

Respekt nötigt ihr die Leistung des Personals ab, das teils zwölf Stunden im Dienst sei. Dass die daraus resultierende Überlastung und die enorme Verantwortung dafür sorgen, den Beruf für viele abschreckend erscheinen zu lassen, liegt für sie auf der Hand.

Für die Heimbewohner allerdings würde sich Löb ab und an etwas mehr Aufmerksamkeit wünschen. So würde sie ihrer Schwiegermutter gerne wieder ein kleines Bäumchen für die Adventszeit ins Zimmer stellen. Sie selbst bekommt allerdings momentan coronabedingt keinen Zutritt, den Pflegekräften wiederum, die sie darum gebeten hat, fehle die Zeit, bedauert Löb.

Der Seelsorger

Die Belastungen, denen die Beschäftigten ausgesetzt sind, bleiben auch Rudolf Koch, Referent für Altersfragen im Dekanat Fürth, nicht verborgen. Seit dem Sommer kommt Koch in seiner Funktion als Seelsorger wieder häufiger in die sechs Fürther Senioreneinrichtungen, für die er zuständig ist. Und er bekommt mit, dass sich auch die Pflegerinnen um die Bewohner sorgen. "Sie machen sich Gedanken, weil sie fürchten, das Virus von draußen hereinzutragen", sagt Koch.

Wichtig sei vielen dennoch, den fehlenden Kontakt zu Angehörigen auszugleichen. So hat er eine Pflegerin beobachtet, die sich liebevoll um einen alten Mann kümmerte, der vom Tod seines Sohnes erfahren hatte und von Trauer überwältigt war.

Koch und seine Kollegen haben sich erst kürzlich darüber ausgetauscht, dass sie in der Adventszeit als Seelsorger fungieren möchten. Sollten sie wegen der Infektionszahlen nicht in die Häuser dürfen, hat er vorgesorgt – und Andachten erstellt, die das Personal vorlesen könnte.

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