Corona-Lerndefizite alarmieren die Stadt Fürth

29.3.2021, 11:00 Uhr
Corona-Lerndefizite alarmieren die Stadt Fürth

© Foto: Hans-Joachim Winckler

"Ich befürchte, in den kommenden Monaten, in den kommenden Jahren werden wir viel aufarbeiten müssen", sagte Bürgermeister Markus Braun jüngst im kommunalen Schulausschuss, der darüber diskutierte, wie mit negativen Bildungsfolgen umgegangen werden kann.

Unter der Krise leiden insbesondere leistungsschwache Schüler, Kinder aus bildungsfernen Familien, Jugendliche mit Migrationshintergrund. Aber auch Schülerinnen und Schüler, wie Veit Bronnenmeyer vom Fürther Bildungsbüro klarmacht, die in ihrem Bildungsweg an einem Übergang stehen: sei es vom Kindergarten in die Grundschule, auf weiterführende Schulen oder in die Ausbildung. "Das wird sich überall auswirken."

Fällt Unterricht ganz aus oder verläuft Distanzunterricht nur schleppend, häufen die einen Wissensdefizite an und andere verlernen, was sie zuvor mühsam erworben haben. Braun, der als Referent in der Stadtspitze für die Schulen zuständig ist, nannte hier als Beispiel die Kleinsten, die gerade dabei sind, sich das Lesen, Schreiben oder Rechnen anzueignen.

Schlimmer noch: Manche Schüler werden in diesen Zeiten von Lehrern überhaupt nicht mehr erreicht – im ersten Lockdown waren dies, so schätzt das Bildungsbüro vorsichtig, rund 600. Im zweiten Lockdown, der im Dezember begann, dürften es ähnlich viele gewesen sein, vermutet Bronnenmeyer.


Lockdown: Viele Schüler wurden nicht mehr erreicht


Was tun? Wie auf die Folgen der Coronakrise reagieren? Von Vorteil ist aus Sicht Bronnenmeyers zumindest, dass es in Fürth Strukturen gebe, die das zum Teil auffangen könnten. "Wir müssen nicht bei Null anfangen." Er denkt an Projekte wie "Sprachbrücke" (Hilfe für Migranten), "Lern:Förderung" (Studierende unterstützen benachteiligte Kinder und Jugendliche) oder "Lift" (Integration von Schulverweigerern).

Aber: Bei vielen der bestehenden Projekte laufen die Zuwendungen aus. So will beispielsweise der Freistaat die Förderung der Berufseinstiegsbegleitung einstellen, die Schülern beim Sprung ins Berufsleben beisteht.

"Kein Verständnis" für Kürzung

Dafür hat Linken-Stadträtin Ruth Brenner, die auch Förderlehrerin ist, überhaupt "kein Verständnis" – zumal ja der Freistaat für den Ausgleich von Bildungsdefiziten verantwortlich sei. Allein im vergangenen Schuljahr, betont sie, seien in Fürth 138 Schüler begleitet worden, "damit der Start ins Berufsleben gelingt".

Markus Braun sieht das genauso: "Unfassbar, dass man so ein Programm streicht." Aus diesem Grund habe man einen "Brandbrief" nach München geschickt.


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Bestehende Projekte weiterhin zu fördern, das würde helfen. Aber auch: neue ins Leben zu rufen. Bronnenmeyer kann sich da beispielsweise Patenschaftsprojekte vorstellen, bei denen Schüler individuell unterstützt werden; auch ein Tutoren-System an Schulen oder "Digital-Coaching", um digitales Lernen zu erleichtern.

"Solche Zusatzangebote werden helfen", meint SPD-Stadtrat Markus Dinter-Bienk, "aber nicht ausreichen." Für den Gymnasiallehrer wiegen die entstandenen "stofflichen Lücken und Defizite im Sozialverhalten" so schwer, dass er zum Ergebnis kommt: "Dieses Schuljahr ist vielleicht doch für viele Schüler ein verlorenes."


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Ein Ausweg könnte sein, das Jahr freiwillig zu wiederholen. Davor aber warnt Braun: "Kollektives Wiederholen? Sie unterschätzen, was das bedeutet – für die Schüler, aber auch für uns als Sachaufwandsträger."

Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass nun eine interdisziplinäre Kommission ins Leben gerufen werden soll, besetzt mit Experten für Kita, Schule und Jugendarbeit. Sie soll weitere Vorschläge erarbeiten, wie Bildungsdefizite behoben werden können.

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