Corona-Polonaise mit Punkbands im Lindenhain

3.9.2020, 10:56 Uhr
Corona-Polonaise mit Punkbands im Lindenhain

© Foto: Peter Romir

Ja, so startet ein Open-Air-Konzert in der Corona-Ära: Mit Bier ausgestattete Menschen stehen in Grüppchen verteilt auf der weiten Rasenfläche vor der Bühne. Von dort wallt majestätisch dicker Nebel herunter. Irgendwo im Rauch twängt eine Gitarre und dann kommt eine Stimme aus dem Lautsprecher: "Grieng mer’s hin? Ja? Dann bagg’ mers . . ."

Willkommen auf dem Konzert von "Die Kellerratten" und "Project Moepse" – einem Open Air im Fürther Lindenhain hinter dem elan. Wie die Bandnamen vermuten lassen, handelt es sich bei diesen Gruppen nicht um elitäre Jazz-Formationen, sondern um zwei witzige und druckvolle Punk-Combos.

Den Anfang machen die Lokalhelden: Die "Moepse" kommen aus Nürnberg und haben Titel wie "Pogo mit der Polizei" oder "Wir sind dagegen" im Gepäck. "Wir sind einfach stocksauer auf alles, was passiert", verkündet Leadgittarist Zecke mit Abi und startet in einen Song mit dem Refrain "Scheiß Krieg, scheiß Waffen, scheiß alles". Präsentiert wird das mit Power und einer Prise Humor. Immerhin lautet das Motto der Band: "Ich trink’ heimlich Radler." Sogar ein Liebeslied haben die Jungs im Gepäck: "Es ist mein letztes Bier und das teil’ ich mit Dir". Die Ratten klingen dann noch einen Dreh rotziger als die Moepse, was aber auch am Dialekt liegen kann.

Keine Scheu vor Matthias Reim

Ihr Motto "Herzblut und Radau" nehmen sie jedenfalls sehr ernst und begeistern das Publikum von der ersten Minute an. Es ist ihr erstes Konzert seit der Corona-Zwangspause und man spürt förmlich, wie die in dieser Zeit aufgestaute Energie sich nun Bahn bricht. Neben ihren eigenen Songs haben sie auch eine ungewöhnliche Cover-Version im Gepäck: Matthias Reims "Verdammt, ich lieb Dich" klingt als Punk-Hymne unerwartet gut. Beide Bands achten zudem von der Bühne aus genau auf die Einhaltung der Abstandsregeln – "eng tanzen ist verboten" – und probieren neue Formen des Tanzes aus, wie eine "Corona-Polonaise", bei der die Teilnehmer mit großem Abstand hintereinander herlaufen.

Schräg ist das schon: Punks, die Schlager singen, um Facebook-Likes bitten und die Anweisungen der Regierung weitergeben. Ist die Gegenkultur nun im Mainstream angekommen? "Ich bin auch nicht mit der Regierung einverstanden", sagt Zecke von den Moepsen. "Aber ich finde es unfassbar, dass in Berlin Menschen auf der Straße stehen, die glauben, der Rest der Welt wäre eine Verschwörung – das geht zu weit. Gerade, wenn Nazis mitmarschieren." Das zeigt, dass der Punk immer noch da steht, wo er immer war: An vorderster Front gegen Rechts.

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