Öffnungsplan für die Kultur: Warum ist alles so kompliziert?

9.3.2021, 12:00 Uhr
Öffnungsplan für die Kultur: Warum ist alles so kompliziert?

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Achtung, es folgt eine wichtige Verkehrsdurchsage: Die Theresienstraße ist bis auf Weiteres gesperrt, weil vor der Comödie ein Zelt die Fahrbahn blockiert. Wir informieren Sie, sobald Corona beendet ist.

Keine Sorge, es ist nur ein ausgedachtes, keineswegs aktuelles Szenario. Es könnte aber wahr werden; vielleicht sperren sie auch nur die halbe Fahrbahn, oder sie sperren sie gar nicht, wie überhaupt "vielleicht" ein oft gehörtes Wort ist, sobald die Fürther Kulturdampfmaschinistinnen und -maschinisten über die jüngsten Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz zu plaudern beginnen.


Inzidenz über 100: Welche Folgen hat das für Fürth?


Vielleicht sollte er doch besser noch mal ganz genau in die Mail des Deutschen Bühnenvereins schauen, bevor er womöglich etwas Falsches äußere – sagt Christof Goger, Sprecher des Stadttheaters. Zwar passen die jetzt in Berlin ausgeheckten Öffnungsschritte auf ein DIN-A4-Blatt, was recht praktisch ist und nach leicht verdaulicher Kost ausschaut; jedoch kann die Kultur auch ein paar Tage danach jede Übersetzungshilfe gut gebrauchen.

"Dass die Kultur überhaupt einmal in einem Öffnungsplan vorkommt, begeistert uns." Doch sei es "unendlich zermürbend", sich anschließend einen Reim auf die Beschlüsse zu machen und zu begreifen, was da überhaupt jetzt Sache ist. "Ich möchte nicht direkt das Wort Augenwischerei verwenden, aber es geht stark in die Richtung", so Goger.

Bis zum Corona-Gipfel am Mittwoch war es so: Die Stadttheater waren der Marschrichtung der Staatstheater gefolgt, Schließung bis 28. März. Jetzt aber, in den jüngsten Beschlüssen, kommen sie früher ins Spiel.

14 Tage in Folge muss die Inzidenz unter 100 liegen

Bei einem Inzidenzwert unter 50 durften am Montag Museen und Galerien wieder öffnen. Theater, Konzertsäle, Opernhäuser, Kinos dürfen ab 22. März öffnen. Bedingung: Die magische 50 muss 14 Tage lang konstant in der betreffenden Stadt unterschritten sein. Liegt der Wert zwischen 50 und 100, braucht es einen "tagesaktuellen Schnell- oder Selbsttest" für die Herrschaften namens Publikum.

Bis hierhin alles klar? Schon, aber Goger und auch Intendant Werner Müller glauben eher an Leben auf dem Mars als an zwei Unter-50-Wochen in Fürth ab dieser Woche. Und tatsächlich: Am Montag und Dienstag lag die Inzidenz bei 115,2 - am 22. März wird es in Fürth also noch nicht losgehen.

"Die Frage, wie darüber hinaus mit den Schnelltests zu verfahren ist, hat die Politik noch gar nicht beantwortet", so Goger. Näheres soll erst eine Konferenz der Ministerpräsidenten klären – die wann zusammenkommen? Am 22. März.

"Wie sollen denn", sagt Kulturforum-Programmchefin Annette Wigger, "unsere Einlassmitarbeiter wissen, ob der Test tagesaktuell ist? Wer kontrolliert das? Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas schiefgeht, der Veranstalter oder der Gast?" Fragen, die zur Stunde völlig ungeklärt sind.

Aufmachen binnen 24 Stunden?

Auch macht Wigger jene Öffnungslogistik zornig, die sich nur jemand ausgedacht haben könne, der mit Veranstaltungen und deren Management noch nie etwas zu tun hatte. "Wir haben herzlich gelacht" im Kufo-Team, nämlich darüber: Gesetzt den Fall, Fürth bleibt ab sofort nun zwei Wochen lang unter der 50er-Marke. Am 23. März also darf dann der Beschluss fallen, dass im Kulturforum am 24. März das Licht angeht.

Die Programmchefin: "Sie können nicht binnen weniger Stunden so viel PR entfachen, dass sofort die Künstler und die Zuschauer parat stehen."

Ungeklärt ist außerdem die Frage nach der Anzahl der Zuschauer. 30 Prozent der Plätze, wie im Vorjahr? Zwei Meter Abstand, trotz Schnell- oder Selbsttest?

Lieber realistisch

Was den Spielplan betrifft, so ziehen Stadttheater und Kulturforum Realismus dem großen "Vielleicht Ende März" vor. Wigger: "Nach Ostern können wir seriös über einen Neustart nachdenken." Aber da steht ein Konzert an mit einer portugiesischen Band. Portugal, Hochrisikogebiet. "Sie würden wirklich gern kommen. Doch ich bezweifle, ob es überhaupt einen Flug gibt. Und dann brauchen Sie noch das Fürther Hotel, wo sie sich in 14-tägige Quarantäne begeben. Ausgeschlossen."

Ebenfalls noch nicht in trockenen Tüchern ist das Figurentheater-Festival im Mai, zuvor haben Kufo und Musikschule Fürth bereits das Fürther inklusive Soundfestival Ende April abgeblasen. Bands müssen nämlich proben. Wie soll das funktionieren, wenn in den Musikschulen nur Einzelunterricht erlaubt ist?

Die Hoffnung, dass im Sommer was geht

Was bleibt? "Die Hoffnung, dass im Sommer was geht, wenn wir rausgehen können", sagt Wigger. Im Stadttheater heißt das ersehnte Datum 15. April. Dann ist Premiere der "Verlorenen Ehre der Katharina Blum". Die war mal geplant für Mai 2020. Die Proben laufen, Goger ist zuversichtlich, dass es diesmal klappen könnte. Karten gibt es, da Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist, vier Wochen vorher, ab 15. März also.

Könnte also ab Mitte April die Restsaison anlaufen, dann ebenfalls mit neuem, überarbeitetem Spielplan. Grund: Zahlreiche international tourenden Orchester bzw. Ballettcompagnien haben ihre Tourneen längst abgesagt. Jetzt kommt es drauf an, wer und was im Frühsommer überhaupt (noch) zu kriegen ist. "Der Intendant hat derzeit sehr lange Arbeitstage", so Goger vielsagend.

Heißmann gibt sich unverdrossen

"Und wenn es in zwei Wochen nur vor fünf Leuten machbar ist, dann spielen ich und der Martin vor fünf Leuten": Unverdrossen gibt sich Comödien-Chef Volker Heißmann. Dennoch, auch in der Theresienstraße ist die Ratlosigkeit aktuell groß. "Wir wissen nicht, wie viele Zuschauer kommen dürfen. Und wenn es Tests gibt, wie soll das laufen? Steht dann ein Zelt vor der Comödie, in dem wir kontrollieren, dass die Leute sich testen?" Das einzig Gescheite, sagt Heißmann, sei "Impfen, Impfen, Impfen".

Auch die Comödie peilt die Zeit nach Ostern für den Neustart an. Am 16. April soll Premiere der neuen Hausproduktion sein, "Der verkaufte Großvater". Hoffentlich. Vielleicht.

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