D wie Da capo

10.8.2012, 13:00 Uhr
D wie Da capo

© Pfeiffer

Mit Musik sollte der Name unbedingt etwas zu tun haben, das war Bernd Kammerer von Anfang an klar. Aber auf welchen gemeinsamen Nenner lassen sich Klassik, Jazz und Hardrock bringen? „Wir hatten einige Begriffe“, erinnert er sich. Erst bei „da capo“ klingelte es. Zum einen ist es die Spielanweisung an Solisten wie Orchester „von Anfang an“, zum anderen der Ruf begeisterter Zuhörer, die sich wünschen „noch einmal von vorn“.

Da capo hat den Namen europaweit schützen lassen und sich langsam gesteigert. 1991 gegründet, zog der Laden von der Königstraße über die Ludwigstraße im Jahr 2007 in die Karolinenstraße und ist mit dem Online-Shop zu einem der großen Spezialversender für Vinylplatten gewachsen. 99 Prozent seines Geschäfts, erzählt Bernd Kammerer, laufen übers Internet. Dennoch sind im Laden rund 4000 Platten vorrätig und sauber eingeordnet.

Wie macht man das? Jeder, dessen Musiksammlung gefühlte 100 Platten oder CDs übersteigt, kennt diese stille Verzweiflung: Soll die aktuelle Lieblingsscheibe oben oder vorn stehen? Ordnet man nach Genres? Rock zu Rock und die Klassik nach links? Oder einfach alles nach Alphabet?

Bernd Kammerer grinst übers ganze Gesicht. Wenn man’s genau nimmt mit der Ordnung von A bis Z, sagt er, macht Abba nicht den Anfang. Sondern dann steht „1 Speed Bike“ ganz vorn, die „16 Horse Powers“ finden sich weit vor den Schweden. Der Musikfan weiß, dass das Alphabet allenfalls Krücke sein kann. Denn was ist mit den vielen Klassik-Einspielungen? Wohin zum Beispiel gehört „Aus der Neuen Welt“? Zum Komponisten Antonin DvoÝák, zu den Sinfonien und dort unter 9 oder doch zu den Einspielungen des Chicago Symphony Orchestra oder der Berliner Symphoniker? Man könnte es auch unter die Dirigenten, etwa Herbert von Karajan oder George Solti, einsortieren...

Weil der Kopf bald nicht mehr ausreicht für all die Namen, sobald sich ein paar Regalmeter Musik angesammelt haben, fragen auch seine Kunden öfter. „Jedes vernünftige Datenbankprogramm“ ist dafür geeignet, bei manchen erspart die Eingabe der EAN-Nummer — unter dem Strichcode — das mühselige Abschreiben von Titel, Interpret und Musikern. Das Programm erledigt dann die Sucherei.

Aber Bernd Kammerer selbst funktioniert nicht so. „Ich kann mir Cover merken und will eine Platte auch mal anfassen“, sagt er. Deshalb gibt es im Laden eine grobe Unterscheidung. Jazz, Rock & Pop, Dance und Soul, Neuheiten und Secondhand — und einige Fächer sind den audiophilen Labels vorbehalten. Denn manche Kunden wollen nur erste Qualität und zahlen für eine erstklassige Einspielung oder eine remasterte Neuauflage bis zu 75 Euro.

Zu Hause hat Kammerer auch noch die Kategorie weibliche Stimme. Das Suchen und Finden wird dadurch nicht wesentlich erleichtert. Zum Beispiel Miles Davis. Der Jazzer hat ungefähr 150 Platten gemacht, allein „Kind of Blue“ gibt es in ungezählten Variationen. „Soll ich das nach Jahren sortieren?“ Bernd Kammerer zuckt die Schultern. Oder Nigel Kennedy, der britische Geiger, der Klassik genauso spielt wie moderne Kompositionen. Oder Ray Charles, bei dem jeder Musikfan an Soul denkt — der aber unzählige Jazz-Platten gemacht hat. Ganz zu schweigen von „Alan Parsons Project“ oder „Kafka“, die Popkompositionen mit klassischen Elementen verweben.

Es führt eben kein Weg daran vorbei: „Man muss wissen, wo das Zeug steht“, sagt Bernd Kammerer. 250 Platten machen einen Meter — und wenn Bernd Kammerers Frau ein bestimmtes Stück hören will, ruft sie ihn einfach im Geschäft an. Kein Problem, unter Rock und dann S und dann rechts unten! Oder so.

Wirklich schlimm war es, als auf ihr Geheiß seine Sammlung aus dem Keller nach oben umziehen musste. „Ich hätte ein größeres Haus gebraucht...“

Dabei ist das Schöne an einer echten Schallplatte, dass ihre Fans etwas in der Hand haben. Dass die Cover künstlerisch gestaltet sind und Booklets Geschichten dazu erzählen.

Obwohl die Schallplatte schon einmal totgesagt war, steht die Nische in schönster Blüte. Zu den Da-capo-Kunden zählen Sammler ebenso wie Menschen, die sich teure Anlagen leisten und den vollen Klang von Vinyl ganz bewusst hören.

Aus Fürth werden die Schallplatten deutschlandweit versendet, nach Österreich und in die Schweiz, aber auch in die Benelux-Staaten, nach Ungarn und Rumänien. Und schon wieder geht es um Namen und was sie mit sich bringen. Manche sind so ungewöhnlich, dass Kammerer und seine Mitarbeiter nicht einmal ahnen, was Vor- und was Nachname ist. Andere sind mit Sonderzeichen gespickt — fast wie die Noten einer furiosen Komposition.

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