Das lauernde Gift im großen See der Schwäne

4.10.2018, 12:00 Uhr
Das lauernde Gift im großen See der Schwäne

© Foto: Giulia Iannicelli

An der Wand hängt ein Rettungsring. Kein Kunststück, passt aber doch ganz hervorragend. Denn die Auseinandersetzung mit den Bildern, die derzeit im Kulturort Badstraße 8 erforscht werden können, führt auf geradem Weg in Untiefen.

Lisa Lang hat in die Doppel-Schau Werke eingebracht, die der alten Kunst der Hinterglasmalerei einen ganz und gar aktuellen Auftritt bescheren. Da ist zum Beispiel der "Große Schwanensee". Elegant scheinen die Schwimmvögel durch das Wasser zu gleiten. Ein Motiv, das schon Jugendstil-Künstler inspirierte. Heute lässt sich Lang von den überaus dekorativen Aspekten nicht verführen. Bei ihr paddeln die Tiere durch Gewässer, die in giftig anmutenden Tönen schillern. Lilien säumen ihr Motiv. Das könnte schön beruhigend sein, wären da nicht diese Rohre, die in ihr Bild ragen und denkbar nüchtern von Verklappung und Dreck zu berichten scheinen.

Verblüffend genug ist, was der Betrachter nicht wahrnehmen kann, solange Langs Arbeiten an der Wand hängen: Ihr Bildaufbau muss quasi vom Ende her gedacht werden. Dem Farbträger Glas geschuldet, trägt die Künstlerin nämlich als erstes die Details auf. Nach und nach folgen die übrigen Schichten, bis als Abschluss der Hintergrund folgt. Eine Vorgehensweise, die zwangsläufig ein umfassendes Abstraktionsvermögen und sehr genaue Planung erfordert.

Die NN-Kunstpreisträgerin, die 1958 in Nürnberg zur Welt kam, studierte dort an der Kunstakademie bei Günter Dollhopf und ist seit 1987 freischaffend tätig. Die Faszination ihrer Arbeit beruht nicht zuletzt auf ihren Bildkompositionen, die vertraute Anblicke zu verwirrenden Anordnungen zusammenfügt. Zu quietschbunten "Schwimmtieren" gesellen sich dann etwa zwei erschreckend lebendig wirkende Krokodile, und die "Fahrtenschwimmer" stecken augenscheinlich in einer unentwirrbaren Karambolage fest.

Gemeinsam ist all diesen Ansichten eine herausfordernde Farbgebung in lauten Tönen. Orange, Aquamarinblau oder Neongrün signalisieren, dass hier Aufmerksamkeit erwartet wird. Merkwürdige Déjà-Vus stellen sich dabei ein. Der smarte Typ am "Badesteg" ist doch nicht etwa Jogi Löw? Zwei Eichhörnchen turnen bei ihm herum und sind denkbar uninteressiert an irgendwelchen Bundes-Promis.

Dank Bernd Telle wandert der Blick weiter Richtung Bayern. Mit einem großformatigen Bild ist der 1957 geborene Fotograf, der ebenso wie Lang aus Nürnberg stammt und in Fürth lebt, in der "Freischwimmer"-Schau vertreten. Es ist das Porträt eines Mannes und verströmt stahlharten Wahlplakat-Charme. "Markus S." hat Telle sein Werk getauft. Selber schuld, wer jetzt anfängt, passende Namen einzufügen.

Zweifelsfrei fest allenfalls, dass der Künstler selbst Modell gestanden hat. "Lookalikes" nennt Bernd Telle seine Serie, die ihn als Doppelgänger in immer neuen Rollen zeigt. Dafür legt er Gewicht zu. Oder ab. Lässt einen Maskenbildner ran und setzt Perücken auf, bevor er sich vor die Kamera setzt. Als Digitalprint, kaschiert und lamiert, ist jetzt das Gesicht eines Mannes zu sehen, der jeder sein kann.

"Ich möchte, dass die Leute hinschauen", sagt der Fotograf. Gegen die voraussichtlich einsetzende Verwirrung dürfte der in Reichweite angebrachte Rettungsring nicht helfen. Freischwimmen muss sich halt jeder selbst.

"Freischwimmer": Kulturort Badstraße 8. Freitags 15-18, Wochenenden 12-18 Uhr. Bis 21. Oktober.

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