Delta-Variante

Debatte um Maskenpflicht: Pandemiebeauftragter des Fürther Klinikums warnt

16.6.2021, 08:00 Uhr
Debatte um Maskenpflicht: Pandemiebeauftragter des Fürther Klinikums warnt

Erneut kommt scharfe Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aus dem Fürther Klinikum: Nachdem die Politik im Frühjahr, als die dritte Welle drohte, "zu träge und unentschlossen" agierte, werde jetzt "voreilig und leichtsinnig" über die Aufhebung der Maskenpflicht debattiert, schimpft Dr. Manfred Wagner, Medizinischer Direktor und Pandemiebeauftragter des Krankenhauses.

Schon mehrmals hat er sich in der Corona-Krise klar positioniert und öffentlichkeitswirksam über die sozialen Medien zu Wort gemeldet. Im November etwa appellierte er in einem Brandbrief an Spahn, die Krankenhäuser zu entlasten, im März/April kritisierte er das Aufschieben des harten Lockdowns.

Jetzt zeigt er sich in einem Video auf Facebook und Instagram empört darüber, dass der Gesundheitsminister ein Ende der Maskenpflicht in Aussicht stellt. Damit laufe Spahn "populistisch" den Forderungen der AfD und der FDP hinterher, so Wagner, dabei wäre es seine Aufgabe, "Vorsicht walten zu lassen und vernünftig zu kommunizieren, was Sache ist".

Den zurückhaltenden Kurs der bayerischen Staatsregierung, die am Dienstag an der FFP2-Maskenpflicht festhielt und nur im Schulbereich die Regelungen leicht lockerte, begrüßt der Mediziner.

Die Delta-Variante bereitet Sorgen

Es ist die Delta-Variante, die Wagner Sorgen macht: Die zuerst in Indien nachgewiesene, aggressive Form des Coronavirus breite sich "um uns herum" aus, die Inzidenz in Großbritannien habe sich in kürzester Zeit mehr als verdreifacht, von unter 20 auf etwa 70. Die geplanten Lockerungen hat Premierminister Boris Johnson angesichts der Entwicklung nun um vier Wochen verschoben.

Momentan, so Wagner, freuen sich alle über die wiedergewonnenen Freiheiten; darüber, dass man wieder Menschen treffen kann, dass es die ersten kulturellen Veranstaltungen gibt. Auch in den Krankenhäusern hat sich die Lage entspannt. Aktuell werden im Fürther Klinikum sechs Corona-Patienten behandelt, zwei davon auf der Intensivstation.

Der Pandemiebeauftragte sieht jedoch die "riesige Gefahr", dass die Delta-Variante, falls sie sich hierzulande ausbreiten kann, "all das, was wir mühsam erreicht haben, wieder zunichte macht". Wie Wagner auf FN-Nachfrage präzisierte, hält er es für vertretbar, im Freien auf die Maskenpflicht zu verzichten; hier komme es selten zu Übertragungen. Sie aber in Innenräumen aufzuheben, könne fatale Folgen haben.

Deutschland hat schlechtere Voraussetzungen

Spahn hatte ein gestuftes Vorgehen vorgeschlagen: Zunächst könne die Maskenpflicht draußen entfallen, in Regionen mit sehr niedriger Inzidenz und hoher Impfquote dann auch nach und nach drinnen. Wagner: "Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht, ob das möglich sein wird."

Denn: Nur die komplette Impfung biete einen guten Schutz vor der Delta-Variante. Die Voraussetzungen seien in Deutschland aufgrund der "vermurksten Impfkampagne" also schlechter als in Großbritannien. Dort sind bereits über 53 Prozent der Bevölkerung zweifach geimpft, hier erst 26,8 Prozent. Wagner appelliert daher an die Entscheidungsträger, Freiheiten nicht leichtfertig zu verspielen. Maske zu tragen, das sei keine große Einschränkung.

Auch Staatskanzleichef Florian Herrmann warnte am Dienstag vor der Delta-Variante. Sie sei ansteckender und verursache schwerere Krankheitsverläufe. In Bayern sind demnach bereits 132 Fälle bekanntgeworden. Der Impffortschritt sei noch nicht so gut, dass man sagen könne "wir brauchen die AHA-Regeln nicht mehr, wir brauchen die Maske nicht mehr".

Im Sommer können Schulen gut lüften

Die Abwägungen seien schwierig, sagt Fürths Schulreferent Markus Braun auf Nachfrage. Er hofft allerdings, dass sich noch etwas bewegt in Sachen Maskenpflicht für Schüler. Bei steigenden Temperaturen sei das Maske-Tragen belastender. Zugleich könnten Schulen im Sommer gut lüften, die Fenster fast durchgehend geöffnet lassen.

Angesichts der Testpflicht in den Schulen und der lockeren Regelungen in vielen anderen Lebensbereichen plädiert Braun dafür, es beginnend bei den Jüngsten, den Grundschülern, schrittweise auszuprobieren, auf den Mund-Nase-Schutz im Klassenzimmer zu verzichten. "Wir müssen uns rantasten an die neue Realität."

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