Den Geschmack Schottlands auf der Zunge

5.1.2013, 16:00 Uhr
Den Geschmack Schottlands auf der Zunge

© Horst Linke

„Schluss mit lustig, jetzt fängt das Islay-Tasting an“, ruft Gerald André durch den Gastraum. Die Bedienung verteilt tulpenförmige Gläschen auf den Tischen, allesamt gefüllt mit einer hell-karamellfarbenen Flüssigkeit. Ein torfiger Duft kriecht aus den Trinkgefäßen und verteilt sich gleichmäßig im Raum. Die Teilnehmer greifen rasch nach der inzwischen vierten edlen Spirituose des Abends. Angestoßen wird mit einem „Sláinte“ – was auf Gälisch so viel wie „Prost“ bedeutet. Während die einen noch ihr Glas im Kreis schwenken, schnuppern die anderen bereits hinein. Wenn ausgiebig getestet wurde, wie der Whisky läuft und riecht, wird langsam der erste kleine Schluck genommen. Viele senken den Blick, da sie sich so besser auf den Geschmack konzentrieren können, um dann zufrieden zu seufzen oder anerkennend zu nicken.

Wie eine Vollnarkose

Islay ist die südlichste Insel der Inneren Hebriden – gelegen an der Nordwestküste Schottlands. „Dort gibt es 3800 Einwohner, etwa 20000 Schafe, drei Polizisten und acht produzierende Destillerien“, erklärt Gerald André lachend. Einem Islay-Malt wird nachgesagt, er sei mächtig, stechend und eigenartig. „Ein typischer Islay-Whisky schmeckt wie eine Vollnarkose“, sagt André. Und er hat Recht, der Geschmack erinnert den Laien doch stark an Medizin, was aber für viele Kenner das Höchste der Gefühle ist.

Der „Laphroiag Càirdeas“ – wie der würzige Whisky heißt – wurde nur für das „Islay-Festival“ hergestellt, ein jährlich stattfindendes Whisky-Festival im Frühjahr. Im Handel ist er nicht zu kaufen, doch Gerald Andrés gute Beziehungen ermöglichen es den Teilnehmern des Tastings, den außergewöhnlichen Tropfen zu probieren. „Generell kommen aus Schottlands Norden eher die stärkeren, torfigen Whiskys, während im Süden in erster Linie mildere Sorten produziert werden“, erklärt der Kenner.

Welchen die Liebhaber nun bevorzugen, ist Geschmackssache. Reinhold Vogel trinkt am liebsten die mildere Variante. Beim Tasting hat es ihm ein 15 Jahre alter „Glen Keith“ angetan: „Man hat von diesem Whisky nur ein paar Tropfen im Mund und schon entfaltet sich der ganze Geschmack.“ Und das macht einen guten Whisky aus: Zuerst schmeckt er stark und kräftig, bis er schließlich die verschiedensten Geschmacksnuancen freigibt: Von fruchtig, über rauchig bis hin zu salzig ist alles möglich.

Weil manche Gäste da schnell den Überblick verlieren, notiert sich der eine oder andere direkt nach dem Probieren seine persönliche Wertung – so auch Sabine und Bernd Büttner. Man könnte sagen, sie betreiben das Tasting professionell: Nach dem ersten Schluck schreiben sie das Ergebnis auf. Je nach persönlichem Geschmack bekommt der Whisky eine gute oder schlechte Schulnote sowie eine Zusatznotiz. Ihr ausgeprägtes Whisky-Wissen haben sie sich in zwei Kursen an der Volkshochschule angeeignet. Warum sie sich mit einem Getränk so hingebungsvoll beschäftigten? „Die Vielseitigkeit von Whisky fasziniert uns einfach“, sagt Bernd Büttner.

Und das macht auch den Reiz eines solchen Abends aus: Niemand weiß, was geschmacklich auf ihn zukommt. Jedes Glas birgt eine neue Überraschung – auch für Gerald André, der in der Regel die Spirituosen vorher ebenfalls nicht probiert. „Sonst wäre es ja für mich zu langweilig.“ Auch für ihn ist der Whisky nur ein Hobby und so lernt selbst er bei jedem Tasting etwas dazu.

Auch am Ende des Abends wird es noch einmal spannend: Gerald André versteigert traditionell die übriggebliebenen Reste. Kassenschlager wird natürlich der noch zu einem Drittel gefüllte „Laphroaig Càirdeas“; er geht für 33 Euro über den Tisch.

Egal ob Kenner oder Laie — wer sich von Gerald André in die Welt der Whiskys entführen lassen möchte, kann sich direkt im „Irish Cottage“ bei Pächter John Farley oder unter der Rufnummer (0911) 9764102 zu einem der Tastings anmelden, die jeden dritten Samstag im Monat stattfinden. Zusätzlich können Ende Januar ausschließlich torfige Whiskys verkostet werden und im März steht ein irisches Tasting an.

Mehr Informationen über das Irish Cottage in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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