Der Ausdruck von innerer Stärke

1.8.2014, 16:00 Uhr
Der Ausdruck von innerer Stärke

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Man kennt diese Kitschbilder vom Flohmarkt: Kinder mit großen Kulleraugen, traurig-bittendem Blick und einem Kätzchen auf dem Arm. Da geht Tante Eulalie das Herz auf! Solche Bilder malt Anne Kammermeier auch. Aber etwas ist anders. Zuerst einmal laufen Farbschlieren durchs Bild, entlang der Körperkonturen oder sogar durchs Gesicht. Früher galt das als typischer Anfängerfehler, heute haben sich die Schlieren zum Stilprinzip gemausert. Sodann liegt in den Kinderaugen eine gewisse Bitternis, eine Traurigkeit, die weit über das Herzerweichende des Kitsches hinausgeht. Ein Blick, der absolute Untröstbarkeit ausdrückt.

Kinderbilder haben es Anne Kammermeier angetan. Doch für die gebürtige Regensburgerin, die an der Nürnberger Akademie studiert hatte, gehören die Gesichter nicht diversen identifizierbaren Kindern, die sie irgendwo findet. Für Anne Kammermeier sind es Gesichter des Unbewussten, des Unverbildeten. So ein hochtrabendes Wort wie „Seele“ mag die Künstlerin nicht verwenden. Eher „innere Stärke“, weshalb die Ausstellung „inner strength“ betitelt ist.

Wo die Seele weilt, ist das Wasser nicht weit. Während die meisten Figuren sich in einem diffusen Kontinuum aus Farben und amorphen Formen bewegen, fühlt sich der kleine „Wassermann“ in seinem Element sichtlich wohl. Ein Bub, der mit offenen Augen den Blick des Betrachters erwidert - bloß unter Wasser. Die Wirkung des Bildes verdankt sich dem Gegensatz von modelliertem Gesicht und skizziertem Körper, der sich im Türkis des Wassers aufzulösen scheint. Ein Echo dieses Gegensatzes findet sich in der Gestalt im Hintergrund, mit karpfenartig geöffnetem Mund.

Stoffliche Zugaben

 

Gerne verwendet Anne Kammermeier auch stoffliches Material in ihren Gemälden. So kleben Fetzen von Taschentüchern in ihren Farbschichten oder schlängelt sich gar ein Bindfaden oder Schnürsenkel durch den Raum. Am schönsten wirkt das Bild „Player“, ein spielendes Mädchen mit Ball. Das Gelb des Kleidchens ist in genau demselben Gelbton der Umgebung gehalten, sodass der Korpus des Mädchens durchsichtig wird; hingegen wirken die nackten Arme und das Gesicht in zartem Violett wie die Teile einer Statue. Der Ball findet seinen malerischen Widerhall in grünen Kugeln, die wie Luftballons oder Seifenblasen im Hintergrund in die Höhe steigen. So bleibt in all der Diffusität des Bildes nur das Gesicht des Mädchens als optischer Ankerpunkt. Ein Kindergesicht mit einem Ernst, wie man ihn nur bei dem Romantiker Philipp Otto Runge wiedertrifft.

Bis 23. August im Art Room, Gebhardtstraße 2. Geöffnet: Di bis Fr von 16-20 Uhr, Sa 15-19 Uhr.

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