Der Fisch stinkt vom Kopf zuerst

9.10.2012, 10:06 Uhr
Der Fisch stinkt vom Kopf zuerst

© Winckler

Der Fisch stinkt vom Kopf zuerst und der Magenkranke aus dem Mund, einem geschenkten Gaul schaut man aus Höflichkeit nicht ins Maul, aber einem geschenkten Barsch besser gleich auf die Kiemen.

Gesellschaftspolitik ist angesagt bei diesem Thema, meint man: Die da oben, die Banker, die Politiker, die Börsenmakler, die stinken doch vor Gier, die kriegen den Hals nicht voll, aber die da oben, die riechen nicht, nein, die duften männlich herb, herzerfrischend nach Lifestyle und Dynamik.

„Es ist was faul im Staate Dänemark“, klagt Prinz Hamlet, der Vater ermordet, die Mutter im Lotterbett des Onkels, jaja, die Staatsräson, das Machtvakuum, das Leben geht weiter. Also, Dänemark stank vom Kopf her, und die Intriganten saßen noch in der letzten Schwanzflosse, das hält auch ein Prinz im Kopf nicht aus: Hamlet wurde wahnsinnig, oder er spielte den Wahnsinnigen und wurde Amok laufender Wutbürger.

Bei uns liegt Gerhard Schröder mit Putin im Bett, dem lupenreinen Demokraten, und Helmut Schmidt, der große Weise vom Berg, zieht an seiner Zigarette und meint entschuldigend, die vielen Millionen Tote in China, Opfer des „Großen Sprungs“ seien doch nur Hungeropfer, die könne man Mao nun wirklich nicht ernsthaft anlasten. Irren sei menschlich und das Völkerrecht wäre doch noch allemal wichtiger als die Menschenrechte. Jeder Staat koche sein Süppchen auf seine Weise, diene dem Fortschritt, wie er es für richtig hält, ob sanft oder mörderisch, das ist nicht die Frage, so klang es, und ob zumindest Auschwitz ein Anlass für einen Regelbruch gewesen sei, er wisse es nicht. Also sprach der kühle Hanseat und hüllte sich in Rauchwolken und beredtes Schweigen. Ach, meine Leitbilder verblassen. Die Leitwölfe werden altersstarre Reliquien, die sich ausstellen lassen in den Talkshows dieser Republik.

Vor einiger Zeit erzählte mir mein Computer mal wieder von Virenwarnungen, „Trojaner“ nennt man die Viren merkwürdigerweise, die Programme zerstören können und Lenkwaffensysteme außer Kraft setzen. Trojaner im Kampf der Kulturen Nun ja, entzückt bin ich natürlich, dass sich klassische Bildung breitmacht. Aber die Trojaner als Zerstörer? Hatte nicht Odysseus, der schlaue Grieche, diese kriegsentscheidende List gehabt und ein gewaltiges Holzpferd bauen lassen, das „Trojanische“, gefüllt mit heimwehkranken, kriegsmüden Elitekämpfern und Desperados, hatten nicht die Griechen heimlich das Pferd aufgestellt vor der Stadt, als „Göttergeschenk“ gewissermaßen, waren nicht die Trojaner auf diesen „göttlichen“ Schlusspunkt hereingefallen und hatten das Pferd unter Freudengesängen in die Stadt gezogen? Endlich Friede!

Und dann waren die Griechen nachts aus den Hinterbacken und dem Maul des Pferdes gequollen, aus allen Körperöffnungen, und hatten die erschöpfte Stadt erstickt, die langen Messer hatten noch einmal ihren irrsinnigen Tanz getanzt. Tödliche Viren. Einem geschenkten Gaul sollte man besser doch ins Maul schauen.

Und die Viren — sollte man sie nicht lieber „Griechen“ nennen?

Aber da widerstrebt die Taste. Ich liebe die Griechen. Heute gelten sie als Krankheitserreger, der Euro schwächelt, besonders die CSU versucht als Anti-Viren-Programm die EU griechenfrei zu machen. Korruption und Schlendrian steckt uns auch in Bayern an, aber was die Griechen können, können wir schon lange. Korruption können wir schon selber.

Ja, und dann ist da noch ein Problem: Die Griechen haben zwar Troja zerstört, aber Troja liegt in der heutigen Türkei, ergo wären die „Trojaner“ türkische Viren und daher genauso EU-inkompatibel wie die Griechen. Wo man auch hinschaut: Lug und Trug und Krankheitserreger.

Da kann man nur noch rasend werden, dachte jener brave Bürger, der auf seinem Konto zwar keine Miete fand für seine Garage, aber dafür ein Trojanisches Pferd, ein Kunstpferd, dessen Fell aus Computertasten bestand, ein Schuppenkleid gewissermaßen wie jener Fisch, der vom Kopf her riecht. Ein hoch dotiertes Kunstwerk, Versicherungswert circa 100000 Euro, aber das wusste der Garagenbesitzer nicht, er sah das Pferd, dachte an Viren, an Troja, an die Griechen, an Verrat, und die Wut stieg auf in ihm über ein verpfuschtes Leben, vielleicht auch der Forscherdrang, und er griff zur Kettensäge.

Ein Kettensägemassaker an allen Feinden des Abendlandes, denn darum geht es immer, wenn die Verzweiflung groß ist...- und er sägte und sägte, er dachte nicht an Versicherungen, mir hilft eh keiner, dachte er, heulte er.

Und dann sank er in sich zusammen, erschöpft: „Vielleicht hätte ich den Fisch doch nicht essen sollen, er roch schon etwas streng“, stöhnte er und übergab sich den Naturgewalten.



 

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