Der Friedhof - lebendig wie ein Park

28.4.2014, 16:00 Uhr
Der Friedhof - lebendig wie ein Park

© Hans-Joachim Winckler

Gertraud Eggemann weiß, dass es sie gibt: Menschen, bei denen die Scheu vor Friedhöfen tief sitzt, für die eine Wohnung in Friedhofsnähe ein absolutes Tabu ist. Sie selbst gehört nicht dazu – die Stadtführerin ist in der Friedenstraße zu Hause.

„Wenn wir einen kleinen Spaziergang machen wollen, dann gehen wir oft über den Friedhof und dann zum Wiesengrund“, erzählt sie. Sie faszinieren nicht nur die vielen historischen Grabsteine, sondern auch das Drumherum: „Der Friedhof ist zu jeder Jahreszeit ein Naturerlebnis!“



Das lassen schon die nackten Zahlen ahnen: Auf dem rund 251000 Quadratmeter umfassenden Gelände – das ist so groß wie 36 Fußballfelder – wachsen rund 3000 Laubbäume und 15 Kilometer Hecken. Wer jeden Weg abläuft, hat am Ende 35 Kilometer geschafft. Über 100 Nistkästen hängen hier, die vom Landesbund für Vogelschutz betreut werden.

Manchmal ist der Friedhof mit seinen 25000 Grabstätten sogar Eggemanns Arbeitsort: Bei den Friedhofsführungen der Tourist-Info zeigt sie den Teilnehmern zum Beispiel, wo sich die Ruhestätten bekannter Fürther befinden, die der Familien Kißkalt, Schickedanz, Grüner oder Humbser. Wer das Drumherum nicht aus dem Blick verliert, sieht, dass dieser Ort der Ruhe gar nicht so ruhig ist: Eichhörnchen kreuzen den Weg, Bienen arbeiten sich durch Blüten, Insekten krabbeln über Inschriften, während Angehörige frische Blumen pflanzen, Unkraut jäten, Grabsteine schrubben. Besonders vor Ostern, vor Pfingsten und vor Allerheiligen geht es hier emsig zu: „An diesen Tagen muss es für die Leute schön sein“, weiß Marcus Weier von der Friedhofsverwaltung.

„Die Großstädte haben Glück, dass sie solche Friedhöfe haben“, sagt Naturschutzwächter Herbert Schlicht. Ein Biotop mitten in der Stadt sei die Anlage – dabei war es ganz anders geplant. Bewusst hatte die Stadt — nachdem erst der Friedhof um St. Michael und dann der Nachfolger auf dem Gelände des heutigen Stadtparks zu klein geworden waren – 1878 ein Grundstück von der Gemeinde Ronhof gekauft, das ein ganzes Stück außerhalb der Stadtgrenzen lag: Damals war man überzeugt, dass Tote aus hygienischen Gründen nicht in der Nähe der Wohnhäuser begraben werden sollten.

Der neue Begräbnisplatz wurde als typischer Gründerzeitfriedhof gestaltet und 1882 eröffnet: eine parkähnliche Anlage mit geraden Wegen und Bänken, die zum Verweilen einladen. 1905 wurde der Pegnitzsteg gebaut, der den Weg aus der Altstadt verkürzte. Diese Brücke leistet bis heute gute Dienste, gerne nehmen zum Beispiel die Fans der SpVgg Greuther Fürth vor Heimspielen im Ronhof die Abkürzung durch den Friedhof. „Sie zeigen aber immer Respekt vor der Totenruhe“, sagt Marcus Weier.

Für eine Kollegin Eggemanns, Karin Hirschmann-Schmidt von der Tourist-Information, gab es kürzlich einen anderen Grund, mal wieder einen Rundgang zu machen: „Mein Mann hatte mir gesagt, dass die Blumen dort so schön blühen – also habe ich meine Walking-Strecke verlegt.“

Hinter Friedhofsmauern kann die Natur hier fast ungestört gedeihen und sich in ihrer ganzen Vielfalt zeigen, schwärmt Herbert Schlicht. „Sogar alte Pflanzen wie der Milchstern wachsen noch zwischen den Grabsteinen.“ Allerhand bekomme man hier zu sehen: „Die alten Grabmale sind schon prächtig, und wenn man aufschaut, sitzt darauf mein Freund, die Elster, oder ein Rabe.“ Bald, glaubt Schlicht, könnte man hier vielleicht sogar Waschbären entdecken. „Sie breiten sich immer mehr aus und leben schon am Käppnersteg.“ Schlicht kommt regelmäßig zum Friedhof, um das Grab seiner Mutter zu pflegen. Alle drei, vier Tage brauchen die Pflanzen im Sommer Wasser. Er warnt allerdings davor, es zu gut mit den Blumen zu meinen: „Wenn man sie alle Tage gießt, werden sie verwöhnt!“

Eine „Oase“ nennt Schlicht diesen Ort – und ein „Geschichtsbuch“. Beides hat Gertraud Eggemann sehr gerne in ihrer Nähe. Und wenn sie Stress hat, weiß sie, wo sie ihn loswird: Beim Spaziergang über den Friedhof „stellt sich so eine innere Ruhe ein“.

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