Die Bürger waren zum Schweigen verurteilt

27.12.2019, 16:00 Uhr
Wenig harmonisch ging es auf der Jahresabschlusssitzung des Steiner Stadtrats zu, weil viele Bürger dachten, es gäbe eine Fragestunde.

© fn Wenig harmonisch ging es auf der Jahresabschlusssitzung des Steiner Stadtrats zu, weil viele Bürger dachten, es gäbe eine Fragestunde.

"Vor Eintritt in die Tagesordnung findet eine Bürgerfragestunde statt" – in fetten Buchstaben ist dieser Satz über jeder Tagesordnung des Stadtrates zu lesen, die der Bürgermeister unterzeichnet. So auch dieses Mal. Und das führte zu erheblicher Verärgerung.

Im Nachgang dazu befragt, sagte Bürgermeister Kurt Krömer: "Vor der Jahresabschlusssitzung hat noch nie eine Bürgerfragestunde stattgefunden." Und tatsächlich sei es ein Fehler gewesen, erläutert Maria Kapitza von der Pressestelle der Stadt Stein. Weder im Bürgerinfoportal noch in den amtlichen Schaukästen sei von einer Bürgerfragestunde die Rede gewesen. Der Satz war lediglich versehentlich auf einigen Mitteilungen stehen geblieben. Beispielsweise auf der Presseeinladung, die die FN am 6. Dezember erhielten.

Ungewöhnlich viele Zuhörer

Ein Fehler mit Folgen: Ungewöhnlich viele Bürger waren zur letzten Sitzung 2019 gekommen. Sie hatten sicherlich verschiedene Motive: Stammzuhörer, die jedes Mal in den hinteren Reihen sitzen, Gäste, die die Würdigung des Kulturpreisträgers Werner Knaupp erleben wollten. Doch die meisten, und für sie gab es teils nur Stehplätze, waren an diesem Abend anwesend, um alles zum Dauerthema Naturprojekt Keimzelle mitzubekommen. Eine ganze Frageliste wollten die Bürger dazu loswerden. Doch daraus wurde nichts.

Zu den ungestellten Fragen gehörten folgende: Soll im Wiesengrund Mais angepflanzt werden statt einer einjährigen Saatmischung für Blühwiesen? Wie kann man im Bürgerdialog über den SPD-Antrag, die Fläche in ein Öko-Ausgleichskonto einfließen zu lassen, entscheiden, ohne vorher zu klären, ob das Areal überhaupt dafür geeignet ist? Zum Hintergrund: Mehrheitlich hatte der Stadtrat es abgelehnt, die Vorab-Information einzuholen, ob das Gelände passend ist, um die Versiegelung an anderer Stelle auszugleichen. Welches Gewicht haben eigentlich die Stimmen von knapp 2200 Bürgern (so viele haben für ein Bürgerbegehren unterzeichnet), die das Areal naturnah und ohne Erschließung erhalten wollen?

Nach der Sitzung machten etliche der Anwesenden aus ihrer Verärgerung über die ausgefallene Bürgerfragestunde keinen Hehl. Immerhin hatten sie aus den Jahresabschlussreden heraushören können, dass das Thema Keimzelle virulent bleibt. Bürgermeister Krömer ging in seiner gut 30-minütigen Ansprache kurz auf den Stopp des Bebauungsplanverfahrens durch den Stadtrat ein: "Damit sollte auch verhindert werden, dass ein Riss durch unsere Bürgerschaft geht." Die Entscheidung lautete: "Wir stellen alles auf Null." In einem offenen Dialog, zu dem alle Bürger eingeladen sind, soll es im Frühjahr um eine neues Konzept gehen, kündigte Krömer an.

Dass das vielfach zitierte "auf Null Stellen" überhaupt funktioniert, bezweifelte der grüne Stadtrat Dietmar Oeder. Für die bereits 2018 abgeholzte Baumgruppe komme der Beschluss auf jeden Fall zu spät. Er erinnerte außerdem an die hohe Steiner Beteiligung beim Volksbegehren Artenschutz: "Das zeigt, welchen hohen Stellenwert Natur- und Klimaschutz für die Steiner Bürger haben." Entscheidungen seien dem unterzuordnen.

Auch Norbert Stark (CSU) bewegte das Thema. Es sei für ihn "beeindruckend" gewesen und habe nochmals deutlich gemacht, wie wichtig es ist, für die Bürger da zu sein. Zumal die Kritiker des Vorhabens keine bloßen Neinsager seien, sondern positiv mitwirken wollen. Die übrigen Fraktionsvertreter mieden das Thema.

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