Die Dorfgeschichte im Schrank

13.4.2011, 09:00 Uhr
Die Dorfgeschichte im Schrank

© Thomas Scherer

Oberasbachs Geschichte passt in sechs Metallschränke. Zumindest im Archiv des Heimatvereins. In genau 25 Bänden, die Buchrücken sauber mit Jahreszahlen beschriftet, lässt sich viel nachlesen über die Ereignisse, die sich in Altenberg, Unterasbach oder Rehdorf zugetragen haben. Zumindest, wenn es sich um die Zeit zwischen 1945 und 1988 dreht. Bildbände — für jeden Ortsteil einen — mit Postkarten und alten Fotoaufnahmen komplettieren das Angebot. Ergänzt um thematisch sortierte Karteikästen und Diaserien.

Zu verdanken hat der 1983 auf Initiative des Lehrers Hans Strobel gegründete Heimatverein diese Schätze vorwiegend zwei Personen. Den Grundstock legte der allererste Vorsitzende des Heimatvereins, Richard Krug. Nicht nur er und andere Mitglieder wie Ulla Drechsler waren erfolgreich bei der Suche nach interessanten Schriftstücken, Bildern oder Fotos. Als Volltreffer erwies sich Krugs „Draht“ zu Alfred Zanzinger und dessen Fundus. „Er hat“, wie sich der heutige geschäftsführende Vorsitzende Manfred Gruber erinnert, „alles gesammelt, was ihm in die Finger gekommen ist, von Zeitungsartikeln über Bierdeckel bis zu den Programmen von Faschingsfeiern.“

Handlich gebunden

Ein großer Anhänger des Karnevals muss Zanzinger in der Tat gewesen sein, denn auf Dokumente und Festschriften der diversen Oberasbacher Faschingsgesellschaften stößt man beim Blättern immer wieder. Was die Sammelleidenschaft Zanzingers aber besonders wertvoll für den Heimatverein macht, ist dessen Beruf. Zanzinger war Buchbinder im Germanischen Nationalmuseum und nutzte seine erlernten Fähigkeiten, um seine „Zettelwirtschaft“ handlich in gebundener Form zu hinterlassen.

„Schön, dass nicht alles in Kartons herumliegt“, sagt Peter Hartmann, der das Archiv seit 1993 betreut. Eine Suche nach Themen ist in den Bänden zwar nicht möglich, dafür stößt man aber auf manche Überraschung. Der ehemalige Lehrer freut sich ohnehin über das eine oder andere Kleinod: über den Plan des ersten Oberasbacher Schulhauses aus dem Jahr 1833 beispielsweise. Aber auch über Fotos von Leonhard Niebling, der nach dem Krieg in der Hochstraße nicht nur die Gaststätte „Zu den drei Bären“ betrieb, sondern die zotteligen Gesellen nebst Löwen und Affen dem staunenden Publikum in einem kleinen Zoo in Altenberg gleich noch in natura präsentierte.

Hartmann ist übrigens kein Zerberus, der eifersüchtig über seine Schätze wacht, ganz im Gegenteil: „Die Sachen sollen einen Nutzen haben und nicht tot herumliegen.“ Schüler oder Studenten, die Dokumente sichten wollen, fragen an. Oft reiht sich dafür anschließend so manche Fach- oder Seminar-Arbeit ins Heimatarchiv ein. Aber auch, wer nur einmal in alte Zeiten eintauchen und ein wenig schmökern möchte, darf sich die Bände leihen. „Bürger mit gutem Leumund“, scherzt Gruber schmunzelnd. Oberasbacher, die das eine oder andere Stück vorbeibringen, sind ebenfalls willkommen. Dass einst fünf Ziegeleien den Altenbergern und Oberasbachern Lohn und Brot verschafften, davon findet sich in den Zanzingerschen Bänden nämlich herzlich wenig.

Ein paar Bilder von den Ziegeleien Gran und Gerstendörfer — an der Forchheimer beziehungsweise der heutigen Konrad-Adenauer-Straße gelegen — beleuchten dieses Kapitel der Oberasbacher Industriegeschichte nur marginal. Dabei, sagt Peter Hartmann, seien Spuren der ehemaligen Lehmgruben noch heute im Stadtgebiet zu entdecken. Beispielsweise beim Gymnasium oder beim DJK-Sportplatz. Auch manches Backsteinhaus findet sich noch. Und nicht weit vom Rathaus entfernt, erinnert die Ziegeleistraße an den längst verschwundenen Wirtschaftszweig.

Für ihre diversen Ausstellungen greifen die Macher des Heimatvereins natürlich zunächst auf ihr Archiv und ihr Depot zurück, die sich, wie die Ausstellungsräume, seit fünf Jahren in Alt-Oberasbach in der Hirtengasse 2 befinden: Leiterwagen, Nähmaschinen, Obstpressen und Möbel – in der als Lager dienenden Scheune wird es langsam eng. Deshalb muss der Heimatverein bei den Objekten wählerischer werden. „Kleinere Sachen nehmen wir unbeschränkt weiter“, sagt Gruber. „Kaffeemühlen, aber auch Bügeleisen, da sieht jedes anders aus.“

Für die neu geplante Ausstellung, die zum Stadtfest Ende April im Foyer des Rathauses zu sehen ist, rückt das Archiv wieder besonders in den Fokus. Der Hainberg ist das Thema und soll in all seinen Facetten beleuchtet werden: als Truppenübungsplatz, Ort der Naherholung und Naturschutzgebiet. „Bilder und Informationen haben wir genug“, sagt Peter Hartmann. Andere Exponate fehlen noch: Denn Silbergras und Blauflügelige Ödlandschrecke blieben bei der Sammelleidenschaft des Buchbinders Zanzinger außen vor.