Die erste Reise nach Italien

21.8.2019, 21:00 Uhr
Die erste Reise nach Italien

© Florian Burghardt

"Heiß ist heiß, egal ob 38 oder 40 Grad", meint eine Besucherin des Oberasbacher Erzählcafés. Doch während die hohen Temperaturen für sie etwa in den 1950er und 1960er Jahren "ein Grund zur Freude" waren, bekommt die über 80-Jährige heute durch die extreme Wärme schnell Probleme mit dem Kreislauf.

Das geht auch den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Erzählcafé so. Während sie früher die Sommerhitze nutzten, um in die Badeteiche zu springen, harren sie heute lieber in der kühlen Wohnung aus.

Nur barfuß unterwegs

"Ich bin als Kind, wann immer es ging, nur barfuß gelaufen", erinnert sich eine Frau. Nur in die Schule ließ sie ihre Mutter nicht ohne Schuhe. Denn wer barfuß ins Klassenzimmer kam, dem hätte man die Armut sofort angesehen.

Für eine andere ältere Dame in der Runde war vor allem der Sommer 1944 prägend. Damals nahmen sie und ihre Schulkameraden einen Umweg durch den Wald, um zum Unterricht zu gelangen.

Allerdings nicht vorrangig, um im kühlen Schatten der Bäume zu laufen, sondern um den Gebieten auszuweichen, die die Kampfflugzeuge im Visier hatten. "Einmal ist ein Flugzeug abgestürzt und der Pilot lag ganz verbrannt auf dem Waldboden. Da hab ich meinen ersten Toten gesehen. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich ihn heute noch", berichtet eine Frau, die an diesem Tag ihren 83. Geburtstag feiert.

Ganz bewusst hat sie sich dafür das Erzählcafé im Bürger-Info-Treff (B-I-T) Oberasbach ausgesucht. Denn hier trifft sie regelmäßig auf Menschen ihres Alters und kann mit ihnen über Themen sprechen, die sie interessieren.

Schon seit einigen Jahren gibt es die Veranstaltungsreihe. Sie soll Räume schaffen für das Erzählen und Zuhören, für Begegnung und Gemeinschaft, heißt es auf der Internetseite der Stadt Oberasbach. Die zwölfte und jüngste Auflage stand unter dem Motto "Meine Erinnerungen an den Sommer". Dafür hatte sich die Organisatorin, Renate Schwarz vom Quartiersmanagement der Diakonie Fürth in Oberasbach, Unterstützung geholt: Der Oberasbacher Joachim Otto war ehrenamtlicher Moderator.

Auf seine Frage, was die Senioren mit dem Sommer verbinden, erinnerten sich fast alle an ihre Kindheit. Vom Schwimmen lernen in der Donauströmung wird erzählt. Ohne große Sicherheitsvorkehrungen ging‘s damals ins kühle Nass. Kartoffeln – das berichten viele der Anwesenden mit einem Grinsen im Gesicht – warfen sie als Jungs und Mädchen am liebsten direkt ins Lagerfeuer und aßen sie danach aus der verkohlten Schale.

Manchmal gab es in der Schule hitzefrei. Aber auch im Winter konnte der Unterricht temperaturbedingt ausfallen. Nämlich dann, wenn die Schule keine Kohlen mehr zum Heizen vorrätig hatte. Doch auch an ihre Zeit als junge Erwachsene haben die heutigen Seniorinnen und Senioren noch viele Erinnerungen.

Eine Frau erzählt: "Im Juli 1969 war ich zum ersten Mal in Italien im Urlaub. Auf einem Campingplatz haben wir uns alle um das Radio eines Mannes versammelt und gemeinsam dem Live-Bericht von der ersten Mondlandung gelauscht." Von dieser technischen Leistung sei sie damals sehr beeindruckt gewesen, aber auch überzeugt davon, dass es die Astronauten nicht mehr lebendig zurück auf die Erde schaffen würden.

Renate Schwarz will von ihren Gästen wissen, welche typischen Sommergetränke es damals gab. Heute würde ja zum Beispiel häufig Aperol Spritz getrunken. "Erdbeerbowle gab es oft und als besonders schick galt der Kullerpfirsich", erklärt ein älterer Mann aus der Runde. Bei letzterem wird ein Pfirsich mehrfach eingestochen und dann in einem bauchigen Glas mit Sekt aufgegossen. Da die Kohlensäure an den feinen Härchen der Pfirsichhaut haftet, fängt dieser an sich im Glas um die eigene Achse zu drehen, quasi zu kullern.

Hochzeitssaison im Winter

"Wann war für euch der Sommer offiziell beendet?", fragt Otto in die Runde. "Wenn der erste Schnee fiel", kommt prompt die Antwort. Dann stand vor allem auf dem Land die Hochzeitssaison vor der Tür. Denn anders als heute zog es die Menschen nicht im Frühling und Sommer zu großen Festen ins Freie.

Das hatte schlicht praktische Gründe, wissen die Besucher des Erzählcafés: "Damals hatte man keine Zeit zum Feiern, sondern nutzte die warme Zeit zum Arbeiten auf dem Feld. Geheiratet wurde fast nur im Winter."

Das nächste Oberasbacher Erzählcafé findet am Sonntag, 29. September, von 15 bis 16.30 Uhr statt. Das Thema: "Filme, Bücher und Musik aus meiner Jugend".

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