Drei schnappen zu

1.4.2019, 18:58 Uhr
Drei schnappen zu

© Foto: Hans Giemsch

Ein großes, helles Loft in der Fürther Südstadt: Im Zentrum des mit freundlicher Farbigkeit eingerichteten Wohn-, Koch-, Arbeits- und Essraumes steht ein schwarzer Flügel. Hausherr Christian Jung spielt einen leichtfüßig rollenden Boogie-Rhythmus, Kontrabassist Dieter Schreiber legt eine lockere Walking-Bass-Linie darunter, während Saxofonist und Sänger Stefan Scholz sich an einem zungenbrecherischen Text versucht, der auch für einen gestandenen Rapper eine Herausforderung wäre: "Listen to your daddy and you'll never will regret it/and if anybody want this you can tell him that I said it. . ."

Die Alligators of Swing proben einen neuen Song aus dem Repertoire von Louis Jordan, ein US-amerikanischer Rhythm & Blues-Musiker und Großvater des Rock’n’Roll, der in den vierziger und fünfziger Jahren ein absoluter Superstar war, heute aber nur noch Experten ein Begriff ist; genauso wie die Stilbezeichnung "Rhythm & Blues" heute vieles bezeichnet, nur eben selten das, was ursprünglich damit gemeint war.

Seit nunmehr 30 Jahren widmen sich die Alligators of Swing einer Musik, die weder etwas mit hemdsärmeligen Bluesrock, noch mit dem modernem R&B zu tun hat. Der Rhythm & Blues, der nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst bei den Afroamerikanern, später auch bei jungen weißen Europäern seinen Siegeszug antrat, war wilde, swingende Tanzmusik mit einem kräftigen Backbeat, scharfen Bläsersätzen und humorvollen, oft derben, gerne auch eindeutig zweideutigen Texten.

Louis Jordan, Joe Turner, Ray Charles, Cab Calloway, Ruth Brown oder Dinah Washington waren die Stars jener Ära, die mit Little Richard, Fats Domino, Chuck Berry oder Bo Diddley bald in den Rock’n’Roll münden sollte. Fragt sich nur: Wie soll diese damals meist von großen Bands gespielte Musik bei einem Trio funktionieren? Ohne Bläsersätze und ohne Schlagzeug?

Ohne Schlagzeug

"Als Dieter und ich die Alligators starteten, damals noch mit einem anderen Pianisten, kamen wir aus Blues- und Funkbands wie zum Beispiel Slotmachine oder Shotgun", erzählt Stefan Scholz. "Wir wollten etwas Kleines machen, mit dem man auch problemlos in Kneipen spielen kann." Der Verzicht auf das Schlagzeug hat sich über die Jahre auch als Alleinstellungsmerkmal bewährt und ist keinesfalls mit Abstrichen beim Rhythmus verbunden. Wenn man das Trio live hört, fangen die Beine ganz von allein zu wippen an.

In den neunziger Jahren waren die Alligators gut beschäftigt, es war die große Zeit der Kneipenfestivals, wofür ihre lebenslustig swingende Musik geradezu prädestiniert ist. Als der Pianist kurz nach Veröffentlichung der ersten CD aus Zeitgründen das Handtuch warf, war mit dem Fürther Christian Jung schnell ein mehr als nur adäquater Ersatz gefunden. Jung hatte beim bekannten Pianisten Chris Beier studiert, ist im Jazz und Blues so firm wie in der Klassik und im Gegensatz zu seinen autodidaktisch geerdeten Kollegen sattelfest in Harmonielehre und Musiktheorie. Was beim Erarbeiten neuer Stücke ein entscheidender Vorteil ist: "Die Akkorde, die ich mir mühevoll heraushören muss, hat der Chris in fünf Minuten", sagt Scholz über den Kollegen.

US-Gastsängerin

Ein Karriere-Highlight der Band war sicherlich die Zusammenarbeit mit der stimmgewaltigen US-amerikanischen Sängerin Karen Carroll, geboren und aufgewachsen in der Southside von Chicago, die auf der dritten Alligators-CD "Be My Guest" verewigt ist. Die fränkisch-amerikanische Kooperation wurzelte tief in der Vergangenheit: Bereits Anfang der neunziger Jahre begleitete Scholz Carroll mit Slotmachine auf einer Europatournee, Christian Jung war langjähriger Duopartner von Karen und deren Mutter Jeanne Carroll, die beide bis zu ihrem Tod (Jeanne starb 2011, Karen 2016) in Nürnberg lebten.

Nachdem sich die Zusammenarbeit mit der Amerikanerin als musikalisch zwar bereichernd, menschlich aber als "eher schwierig" erwiesen hatte, lud man für das nächste Album "Scotchin’ With The Soda" 2007 die junge Sängerin Johanna Schneider für ein paar Songs ins Studio; doch auch diese Kooperation blieb nur ein kurzes Gastspiel. Seitdem sind die drei Alligatoren unter sich — und durchaus glücklich damit.

"Wenn man das Glück hat, mitfühlende, mitdenkende und mithandelnde Kollegen zu haben, erwächst daraus eine tiefe Freundschaft", erklärt Stefan Scholz das Geheimnis ihrer so langen, harmonischen Zusammenarbeit. "Jeder neue Auftritt ist ein kleiner Kurz-Urlaub!"

Insofern dürften die kommenden Monate für die reiselustigen Reptilien äußerst entspannend werden: Über 20 Auftritte im gesamten Bundesgebiet — darunter Frankfurt/Main und Berlin — stehen allein in diesem Jahr an, wobei sie ihre Tour zum 30. Bandjubiläum auch mehrfach in die fränkische Heimat führt: An diesem Freitag spielt die Band in der Kulturscheune in Schwanstetten, am 7. April im Kellerhaus Pommersfelden und am 9. Mai im Nürnberger Hirsvogelsaal.

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