Drei von der Panikstelle

30.4.2016, 14:02 Uhr
Drei von der Panikstelle

© Foto: Tim Händel

„Manchmal played einen das Schicksal übel und dann doch gut.“ Öhm, ja. So einen Satz kann man auf Sofakissen nadeln. Oder auf die Bühne bringen. Alles prima. Hauptsache, niemand zwingt einen, Sinn in den Spruch zu deuteln.

Laura Naumann kann solche Sätze gut. Ihr Stück „demut vor deinen Taten baby“ hat sich seit 2012 zum Dauerbrenner im deutschsprachigen Theaterraum entwickelt. Die Autorin ist 27, deshalb bekommt sie automatisch von jedermann die Verpflichtung umgehängt, für ihre Generation zu sprechen. Die drei jungen Frauen, die Naumann auf die Bühne stellt, werden, nachdem sie einen (vermeintlichen) Terroranschlag (vermeintlich) überlebt haben, zu Spaß-Terroristinnen. Die Idee dazu ist simpel: Das Entkommen aus Lebensgefahr lässt die Endorphine in unserem Körper Cha-Cha-Cha tanzen. Wir sind plötzlich total happy. Feine Sache, denken sich die drei von der Panikstelle und machen ihre Zeitgenossen fürderhin überfallartig mit Terror glücklich. Scharf geschossen wird dabei bloß mit Worten.

Das ist selbstverständlich eine Steilvorlage, die in der ganz besonderen Atmosphäre der Badstraße 8 mit spürbarer Begeisterung herausgespielt wird. Julia Hell, Rebecca Kirchmann und Christine Mertens nehmen es mit den weiblichen Fun-Guerillas auf, geben ihnen engagiert Stimme und Facetten. Ein Feinschliff, der die gewissenhafte Auseinandersetzung mit diesen Figuren erkennen lässt. Frauke Buschs Inszenierung ist sehr stringent. Sie nutzt den begrenzten Raum so durchdacht, dass gefühlte Quadratmeter scheinbar hinzuwachsen. Die Gegenüberstellung der Stuhlreihen macht aus Zuschauern für die jeweils Gegenübersitzenden Anschauungsobjekte. Ein Effekt mit hintersinniger Zweideutigkeit. Angela Löwen (Bühne und Kostüme) hat Pop-Art für Outfits und Requisiten zur umwerfenden Schau gemacht.

Sucht nach Zerstreuung

Hie und da hakt der Fluss dieses Spektakels. Das wäre nicht weiter schlimm, doch die Bruchstellen werden zu minimalinvasiven Gucklöchern auf die Schwachstellen des Stücks. Hinter der bunten Lustigkeit schimmert Belanglosigkeit durch. Schon richtig, hier wird die manipulierbare Spaß-Gesellschaft in ihrer Erpressbarkeit durch Gewalt und Ideologien vorgeführt. Doch der dramaturgische Dreh, der die Verknüpfung von Lachen als probates Mittel gegen den Terror herstellen könnte, bleibt aus. Die Show wird zum Beitrag unserer Sucht nach Zerstreuung, die Dauerberieselung um eine Variante erweitert.

Die Künderinnen der miesen Gesellschaftsbilanz werden dabei durch und durch zum Teil des Systems. Nicht einmal die intimen Lebensbeichten der drei Frauen berühren wirklich. Ihre Entblößungen rauben ihnen den letzten Rest eines Geheimnisses. Auf der Bühne verströmt ihr pseudo-martialischer Einsatz fürs Glück der Menschheit keinerlei Bedrohung. Hier sind Frauen präfeministischen Zuschnitts am Werk und nicht einmal im Traum die bösen Enkelinnen von Meinhof. Damit verpufft die Auseinandersetzung mit der Gewalt, die unsere Werte gerade auf den Prüfstand stellt, bevor sie begonnen hat. Schlimmer noch, der Fokus bleibt leer: Freiheit heißt der Begriff, dem diese Stelle gebühren würde. Sie spielt hier keine Rolle.

Dafür weht der Zeitgeist heftig. Was fraglos amüsant ist und unterhält. Hier wird eine attraktive Visitenkarte abgegeben für die neue Badstraßen-Spielstätte. Da geht noch viel mehr, Baby.

„demut vor deinen taten baby“: Kulturort Badstraße 8. Weitere Termine: heute und 6.-8. Mai, jeweils 20 Uhr. Tickets (12/10 Euro) im Café Badehaus und an der Abendkasse.

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