Du und ich

27.3.2012, 12:00 Uhr
Du und ich

© privat

Du sitzt mir gegenüber an dem kleinen Tisch in der Küche. Ich dreh’ die nächste Zigarette. Durchs gekippte Fenster zieht kalte Luft rein. Du starrst auf den halbvollen Aschenbecher. Du sagst nichts. Ich schrei’ Dich an, dass Du endlich was sagen sollst und dass Du Schuld bist, wenn ich mich immer weiter in die Scheiße reite, weil ich die Sachen sage, die ich sage, weil einer von uns ja was sagen muss. Du siehst mich an. Nicht wütend, mehr traurig. Ich sehe, dass Du gern was sagen würdest, aber die Worte sind an Deinem Herz festgefroren. Ich mach Dir Vorwürfe, weil Du nichts sagst, obwohl ich Dich verstehe und am liebsten fest an mich drücken würde. Ich schäme mich, weil ich eigentlich der bin, der Scheiße gebaut hat, aber ich kann nicht aufhören. Ich bin so wütend auf mich selbst, und es muss raus, also schrei ich Dich an. Du siehst mich noch mal eindringlich an, stehst auf und knallst nicht mal die Türe, als Du aus der Küche gehst. Ich schrei’ Dir irgendwas hinterher. Ich zieh’ meine Schuhe an, werfe eine viel zu dünne Jacke über und geh’ aus der Wohnung. Als die Tür ins Schloss fällt, hasse ich mich dafür und will sofort zurück. Ich setz’ mich auf dem Treppenabsatz und starre nach unten. Dann hör’ ich Dich schluchzen. Ich liebe Dich. Es zerreißt mich. Den Kopf in den Händen, glotze ich auf meine Turnschuhe. Eine Träne tropft genau auf die Naht, die weiße Kunstfaser von rotem Wildleder trennt. Ich wische mit dem Jackenärmel drüber. Ein heftiger Schluchzer schüttelt meinen Körper. Unten höre ich jemanden durch die Haustür kommen. Ich schäme mich und will nicht, dass mich die Nachbarn sehen. Ich steh’ auf und dreh’ den Schlüssel im Schloss. Du hockst auf dem Boden im Flur und weinst, während Du telefonierst. Ich schau Dich an und muss noch mehr heulen. Du stehst auf und gehst ins Bad. Sperrst ab. Ich tret’ gegen den Türpfosten. Es tut höllisch weh. Das hilft ein bisschen. Ich humple in die Küche und dreh’ mir eine Zigarette. Bei der Hälfte stehst Du in der Tür. Obwohl Du so verheult aussiehst, bist Du die schönste Frau, die ich mir vorstellen kann. Ich drück die Zigarette aus, schau’ Dir in die Augen und drück’ Dich an mich. Du fühlst Dich so gut an wie nie zuvor.

 

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