Eigenes Heim wird 100

20.10.2009, 00:00 Uhr
Eigenes Heim wird 100

© Hans Winckler

Ein solches Haus muss ein Traum gewesen sein, damals. «Gesunde, schöne und billige Wohnungen sowie Gelegenheit zum Gartenbau» sollten die Bewohner erhalten. Das hatte die Gründungsversammlung der Baugenossenschaft «Eigenes Heim» am 22. Oktober 1909 in ihre Satzung geschrieben. «Arbeiter, niedere Bedienstete und Beamte» sollten hier leben. Menschen also, die sich kurz nach der Jahrhundertwende niemals ein eigenes Haus hätten leisten können. Nach 25 bis 30 Jahren sollte dieses zudem in ihren Besitz übergehen.

Heute stehen die Menschen immer noch Schlange, wenn eines der 54 Häuser aus der ersten Bauphase von 1910 bis 1913 frei wird. Die Architektur - eine Variation des Jugendstils - und die großen Gärten sprechen noch heute junge Familien an.

Heimelig und revolutionär

Weil die Häuser an der Vacher Straße heimelig und individuell sind, sagt Barbara Ohm. Fürths frühere Stadtheimatpflegerin hat die Geschichte des Eigenen Heims erforscht und eine 112 Seiten starke Festschrift verfasst. Zur Bauzeit waren sie nachgerade revolutionär: Jedes hatte ein eigenes Bad - in der Stadt waren nur 5,6 Prozent der Wohnungen mit solchem Luxus ausgestattet.

Die genossenschaftliche Idee kam an: 1914 wurden weitere 17 Häuser gebaut, der größte Teil folgte in den 20er Jahren mit dem Areal zwischen Feldstraße und Robert-Koch-Straße, von der Damaschke- bis zur Friedrich-Ebert-Straße. Doch die Zeiten waren arm, statt Einfamilienhäusern wurde der Block zum Maß der Dinge. Dabei achtete man auf Überschaubarkeit. Nur wenige Nachbarn in einem Treppenhaus, dazu viele Durchgänge zwischen den Häusern. Auch an die Nahversorgung war gedacht. Der «Konsum» in der Feldstraße eröffnete, es gab Milchladen und Metzger, einen Friseur und seit 1927 einen beliebten Spielplatz. Nicht unwichtig: Denn das Eigene Heim lag, umgeben von Feldern, vor den Toren der Stadt.

Baugenossenschaftsvorstand Lotar Demas erinnert sich gern an die große Kinder-Freiheit. «Wir haben immer auf der Straße gespielt, wenn da ein Auto gefahren ist, war’s eine Sensation.» Auch wenn seine Familie mit Großeltern, Eltern und drei Kindern beengt wohnte und nach dem Krieg auch noch eine einquartierte Frau aufnehmen musste. Heute undenkbar, damals schlichte Notwendigkeit.

Auf die Wohnraumnot reagierte die Baugenossenschaft mit Erweiterung nach Westen, bis zur Kurt-Schumacher-Straße und an den Finkenschlag. 1994 wurde das letzte Haus gebaut. Derzeit hat das Eigene Heim 1129 Wohnungen in 388 Häusern im Bestand. Mit abnehmender Tendenz: Um heutigen Ansprüchen zu genügen, werden kleine Wohnungen zu größeren zusammengelegt. Die Mieten sind weiter günstig, liegen zwischen zwei Euro und 5,27 Euro netto kalt nach erfolgter Modernisierung. Auf die konzentriere sich die Baugenossenschaft - von 25 Mitgliedern bei der Gründung auf aktuell 2150 gewachsen - nun, sagt Vorstand Siegfried Ellmann.

30 000 Quadratmeter sind noch unbebaut. Nicht alles auspressen zu müssen, ist ein großer Vorteil der Genossenschaft. Das Eigene Heim wirbt mit dem Slogan «gut und sicher wohnen» - und kann sicher sein, dass die nachbarschaftliche Atmosphäre und familiärer Zusammenhalt auch heute noch zählen. Oft wohnen drei und mehr Generationen im Stadtteil.

Es gebe drei Typen, sagt Lotar Demas. «Den Altbayer, den Franken und den Eigenen Heimer». Einer zu werden freilich, ist fast unmöglich: Den ersten Zugriff auf freie Wohnungen haben Verwandte, erst dann kommen Vorgemerkte zum Zug. Sie können sich mit 1300 Euro einkaufen.

Und gehören dann zu den Glücklichen, die am Freitag Grußworte hören und mit Kabarett und Live-Musik in der LAC-Quelle-Halle feiern können.