Ein lebenswichtiges Geschenk wird hundert

6.11.2007, 00:00 Uhr
Ein lebenswichtiges Geschenk wird hundert

© Hans-Joachim Winckler

Ein weißer Kindersarg, gezimmert um das Jahr 1900, steht am Rande der Ausstellung, in der es doch um Schwangerschaft und Geburt geht. Er sagt mehr als Zahlen und Worte, wie lebenswichtig das großzügige Geschenk war, das Alfred Nathan den Fürthern machte: Zahlreiche Babys und ihre Mütter starben um die Jahrhundertwende im Kindbett, die hygienischen Umstände waren schlecht, die Versorgung oft notdürftig. Das änderte sich dank der Geburtsklinik in der Tannenstraße. Heute beherbergt das Gebäude die Leopold-Ullstein-Realschule.

Wölbt sich der Bauch . . .

Helle Räume, modernste Ausstattung - ein historisches Foto zeigt, wie vorbildlich das Nathanstift war. Wie geradezu revolutionär das vor hundert Jahren war, macht die Ausstellung deutlich. Da gibt es Amulette, die Neugeborene schützen sollten. Und auf Knopfdruck raunen Stimmen abergläubige Weisheiten («Wölbt sich der Bauch spitz nach vorne, wird’s ein Junge»), die noch heute vertraut klingen. «Trotz aller Forschung und Fortschritte gibt es bei diesem Themenkreis doch nach wie vor Unerklärliches», sagt Museumsleiterin Daniela Eisenstein.

Dem spürt die Schau, die unter der Leitung von Heidi Frenzel unter anderem von Monika Berthold-Hilpert und Christiane Twiehaus erstellt wurde, kenntnisreich nach. Beleuchtet werden jüdische und christliche Traditionen und Bräuche mit Blick auf den medizinischen Fortschritt.

Daneben stehen Erinnerungen an Alfred Nathan, zu denen seine in Amerika lebende Großnichte beitrug. Margarete Meyers beispielsweise auf die Frage, warum keine persönlichen Dinge von Nathan mehr zu finden sind: «Er war ein großer Stifter, aber ein bescheidener Mensch, der nie etwas für sich ausgab. Deshalb trug er auch nur alte Anzüge, die fast verschlissen waren.»

Meyers musste Fürth 1938 mit ihren Eltern verlassen. Die jüdische Familie emigrierte in die USA: «Aber Fürth ist meine Heimat», sagt sie.

Nathan, der rund drei Millionen Mark in seinem Leben spendete - das entspräche heute etwa dem Vierfachen - starb 1922. In seinen letzten Lebensjahren erfuhr er den aufkeimenden Antisemitismus. In seiner Stiftung wurde 1933 der jüdische Facharzt Richard Fleischer entlassen, der Name «Nathanstift» für unheilvolle Jahre getilgt. Vergessen war er nicht. Nach 1945 wurde er wieder eingesetzt und lebt auch nach dem Umzug in das Klinikum seit 1967 als «Frauenklinik mit Nathanstift» fort. Deren Arbeit wird noch immer mit Mitteln aus der «Nathan Stiftung» unterstützt, die auch Auftraggeber und alleiniger Sponsor der Ausstellung ist. Im ursprünglichen Haus in der Tannenstraße wurden zwischen 1907 und 1967 rund 20 000 Kinder geboren. Mehr als 500 von ihnen schauen von einer bunten Fotowand im letzten Raum der Schau auf die Besucher. Zwischen den Bildern sind schwarze Flecken - Erinnerungen an die jüdischen Jungen und Mädchen, die deportiert und umgebracht wurden.

Die Ausstellung «Andere Umstände - Von Magie, Medizin und Mäzenen» ist bis 30. März 2008 im Jüdischen Museum in der Königstraße 89 zu sehen. Öffnungszeiten: Di. 10-20 Uhr, Mi. bis So. 10-17 Uhr